Mondnacht von Marie Eugenie Delle Grazie

Der Mondnacht Schimmer und des Meeres Blau,
Sie stossen märchenhaft in Eins zusammen,
Hinausgedehnt zu wundersamer Schau;
Die Wellen hoben sich wie mag’sche Flammen
Und tanzten weithinleuchtend um den Strand,
Und zogen um die Klippen Phosphorkreise
Und warfen Silberperlen in den Sand,
Und flüsterten und raunten, süß und leise....
In weichen Zügen athmete die Luft,
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Es war, als wollte sie die Nacht belauschen,
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Verlor’ne Klänge nur, verlornen Duft
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Trug sie mir zu und das verstohl’ne Rauschen
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Der blühenden Orangen unter mir,
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Die in die Fluthen ihre Wurzeln tauchten,
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Und in’s Gekos’ des Nachtwind’s, süß und irr,
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Den Athem kaum erbroch’ner Knospen hauchten;
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Kein Laut – kein Ruderschlag.... und wie die Welt
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Um mich, so voll mein Herz von Glück und Hoffen,
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So reich an Wünschen, wie das Himmelszelt
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An Sternen; holdem Trug die Seele offen,
 
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Wie dort, dem Vollmondlicht, der Meeresschooß;
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Ein heimliches Ausleuchten und Empfungen,
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Ein irres Glüh’n, ein Sehnen namenlos,
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Und stummer Qual gepaart ein heiß Verlangen...
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O Wundernacht! Es blühte knospenschwer
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Die Seele mir von ungesung’nen Liedern,
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Und strich der Südwind seufzend über’s Meer,
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Dann rieselte es nach in meinen Gliedern,
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Im Takt der Fluth ging meines Herzens Schlag –
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Ein Märchen lebte ich und gäb’ euch Kunde
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Davon – doch grausam nahm der junge Tag
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Mit gold’nen Fingern mir das Wort vom Munde!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Mondnacht“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
224
Entstehungsjahr
1892
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Mondnacht“ wurde von der österreichischen Dichterin Marie Eugenie Delle Grazie verfasst, die von 1864 bis 1931 lebte. Delle Grazie arbeitete hauptsächlich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, was bedeutet, dass dieses Gedicht wahrscheinlich ebenfalls aus dieser Zeitperiode stammt.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt sofort die ausgeprägte Naturbeschreibung auf, die eine intensive emotionale Stimmung und Romantik evoziert. Die Atmosphäre vermittelt eine verschlungene Vermischung von Geheimnis, Sehnsucht und einem gewissen Gefühl der Verträumtheit.

Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit insgesamt 32 Versen. Es beschreibt eine Mondnacht am Meer, anhand ausführlicher und bildhafter Naturszenen. Das lyrische Ich scheint von der Mondnacht und ihrem Zauber völlig in Bann gezogen zu sein. Es ist voller Glück, Hoffnung, reicher Wünsche und verbirgt nichts. Diese intensiven Emotionen spiegeln die magische Kulisse der Mondnacht wider. In der zweiten Strophe ist die Rednerin voller Lieder und Verse, die sie schildern will, doch der aufkommende Tag unterbricht sie abrupt, symbolisch dargestellt durch den „jungen Tag“, der ihr „mit goldenen Fingern das Wort vom Munde“ nimmt.

Die Form des Gedichtes ist freier Natur, es hat keinen gleichmäßigen Rhythmus oder Reimschema. Trotzdem weist es einen melodischen und harmonischen Fluss durch seinen sorgfältigen Einsatz von Alliteration, Assonanz und bewusster Wortwahl auf. Delle Grazies Sprachgebrauch ist hoch poetisch und verwendet viele Metaphern, Personifikationen und intensive Bildsprache: Sie schreibt von „mag'schen Flammen“, „Phosphorkreisen“, „Silberperlen im Sand“ und „verstohlenem Rauschen“. Diese sorgfältig ausgewählten Worte dienen dazu, das Leserlebnis zu verstärken und den Nachthimmel und die Einsamkeit der Mondnacht zu beleben.

Insgesamt kann „Mondnacht“ als lyrische Verklärung der Natur gedeutet werden, in der die beschriebene Szenerie und die damit verbundenen Empfindungen des lyrischen Ichs tiefe Emotionen und eine intensive Stimmung hervorrufen. Es zeigt auch den Kontrast zwischen dem Zauber der Nacht und dem pragmatischen Einbruch des Tages und stellt damit möglicherweise auch eine Reflexion über das menschliche Streben und die Unausweichlichkeit des Vergänglichen dar.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Mondnacht“ ist Marie Eugenie Delle Grazie. Die Autorin Marie Eugenie Delle Grazie wurde 1864 in Weißkirchen (Bela Crkva) geboren. Im Jahr 1892 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei Delle Grazie handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 224 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Die Dichterin Marie Eugenie Delle Grazie ist auch die Autorin für Gedichte wie „Abend (Delle Grazie)“, „Abend wird es“ und „Abendsonnenschein“. Zur Autorin des Gedichtes „Mondnacht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 71 Gedichte vor.

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