Mistral von Marie Eugenie Delle Grazie
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Der Mistral |
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Weht durch die Straßen und fegt |
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Die Chiaja entlang, daß hochauf |
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Der Schönen flatternde Schleier sich bauschen und |
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Dem Schäker die goldig-braunen Nacken enthüllen, |
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Der hangenden Flechten Sammetglanz |
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Und die kleinen, korallengeschmückten Ohren, |
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Noch rothgeküßt vom letzten Stelldichein.... |
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Toll bläst er |
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Im Meere draußen die Backen auf und jagt |
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Vor sich her pfeilgeschwind die Fischerbarken, |
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Fährt in die knatternden Segel und holt |
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Des Himmels trotzigste Wolke keck zum Tanz! |
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Fern’ aber, |
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Wo schillernd die Wogen um |
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Sorrento hüpfen und |
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Von gold’nen Sonnenfurchen die Wasser blitzen, |
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Beginnt sein Zauberreich: |
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Zum Schöpferodem |
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Wird hier sein Weh’n, zum gestaltenden, der Licht |
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Und Lust und Meer in glänzende Schaumgebilde |
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Verwandelt und aufleben läßt |
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In mystischen Urweltformen, |
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In seliger Urweltlust! |
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Horch! dröhnt nicht |
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Vom Ausschlag der Meeresrosse |
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Die brausende Fluth? |
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Mit Sonnenstrahlen-Zügeln |
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Lenkt sie Poseidon – sieh, |
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Und ihre weißen Mähnen flattern im Winde! |
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Kopfüber |
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Stürzen die Faune der See, |
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Die neckischen Tritone in die Wogen, |
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Und zwischendurch |
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Lachen die meerblauen Augen |
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Der Tethystöchter, blinkt’s |
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Von schneeigen Nacken, |
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Von schaukelnden Hüften |
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Und perlenthau-benetztem, gold’nem Haar! |
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Sie sind’s, sie sind’s, |
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Die lenchtenden Herrscher der Tiefe! |
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Schon hör’ ich |
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Ihrer Muschelhörner Gedröhn – |
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Ein Weilchen noch – |
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Und sie rauschen an’s Land und schmiegen |
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Die weichen Glieder in den glitzernden Sand.... |
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So träum’ ich wachenden Aug’s – da zerrinnt |
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Der Götterfestzug in schäumende Wogenkämme, |
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Scharf weht’s vom Vesuv herüber |
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Und mir zu Füßen rauscht |
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Mit heimlichem Gekicher plätschernd die Fluth an. |
Details zum Gedicht „Mistral“
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1892
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Mistral“ wurde von der österreichischen Schriftstellerin Marie Eugenie Delle Grazie verfasst, die von 1864 bis 1931 lebte. Das Gedicht reiht sich damit in die Literaturepoche des Naturalismus und der beginnenden Moderne ein.
Beim ersten Lesen wecken die lebhaften und detailreichen Beschreibungen der Natur und der Antike Landschaft von Italien sowohl Bilder von rauer Schönheit als auch von mythischer Erhabenheit. Die Erzählperspektive, das lyrische Ich, scheint eine Mischung aus Beobachtung und Fantasie darzustellen, seine Worte vermitteln dabei Gefühle von Ehrfurcht und Staunen.
Im Inhalt beginnt das Gedicht mit der Beschreibung des Mistrals, eines starken Windes, der durch die Straßen weht und dabei die Schönheit der Natur und der Frauen hervorbringt. Der Wind scheint dabei als gleichzeitig lebendige und destruktive Kraft aufzutreten.
Im weiteren Verlauf wird gezeigt, wie der Mistral das Meer aufpeitscht und Fischerboote vor sich hertreibt. Er holt selbst „des Himmels trotzigste Wolke“ zum Tanz, was den enormen Einfluss und die Machtfülle des Windes hervorhebt. Dabei wird auch die Fähigkeit des Windes hervorgehoben, Veränderungen zu bewirken und Leben zu schaffen.
Weiterhin entführt das lyrische Ich seine Leser in eine mythische Welt, in der Meerestiere und Gottheiten gemeinsam feiern und tanzen. Es wird eine Bildsprache genutzt, die die Schönheit und das Chaos, die durch die Macht des Windes hervorgerufen wird, feiert.
Das Gedicht endet mit der realen Einsicht des lyrischen Ichs, dass es sich um einen Traum handelt. Es wird deutlich, dass die mythische Welt der Fantasie des lyrischen Ichs entspringt, während die Realität vom Wind und den rauschenden Wellen geprägt ist.
Stilistisch fällt auf, dass das Gedicht in freien Versen gehalten ist und keinen einheitlichen Reimschema folgt. Die Sprache ist bildlich und metaphorisch, was eine intensive Atmosphäre und lebendige Bilder erzeugt. Sie ist geprägt von Personifikationen („Der Mistral weht“, „Toll bläst er“) und Metaphern („die neckischen Tritone“, „der Götterfestzug“).
Zusammengefasst handelt es sich bei „Mistral“ um ein Gedicht, das den starken, oft destruktiven, aber auch schönen und lebensspendenden Einfluss der Naturgewalten feiert. Dabei werden reale Beobachtungen mit mythologischen Anspielungen verflochten, um die Macht und die Erhabenheit der Natur zu unterstreichen.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Mistral“ der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie. Die Autorin Marie Eugenie Delle Grazie wurde 1864 in Weißkirchen (Bela Crkva) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1892 entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Die Schriftstellerin Delle Grazie ist eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das 241 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 51 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere Werke der Dichterin Marie Eugenie Delle Grazie sind „Addio a Capri“, „Apoll vom Belvedere“ und „Arco naturale“. Zur Autorin des Gedichtes „Mistral“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 71 Gedichte vor.
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Zum Autor Marie Eugenie Delle Grazie sind auf abi-pur.de 71 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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