Willkommen bei der Ankunft der vierten Gemahlin Kaiser Franz I von Franz Grillparzer

Ich hab sie gesehen,
Apart und genau,
Ich hab sie gesehen,
Die herrliche Frau:
 
Ja, staunet nur, staunet!
Ich stand dort am Rain
Und trieb meine Gänse
Ins Wasser hinein,
 
Und wie wir so stehen,
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Ein jedes für sich,
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Und schauen, der Entrich,
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Mein Pudel und ich,
 
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Da hebt sichs von ferne,
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Da wirbelt der Staub,
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Da kommt es gerasselt
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Durchs fallende Laub.
 
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Ein Zug kommt geflogen
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In goldener Pracht,
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Wie Wolken, wenn morgens
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Die Sonne erwacht.
 
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Und mitten ein Wagen,
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Ganz schlicht, ohne Glanz,
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Doch glänzt er vor allen,
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Er führt unsern Franz,
 
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Und an seiner Seite
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Saß, lieblich und mild,
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In züchtigem Schweigen
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Ein Frauenbild.
 
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Ha, dacht ich mir selber,
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Wer mag das wohl sein?
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Dem Herren zur Seite
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Muß Herrliches sein.
 
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Ich schau ihr ins Auge,
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Da trifft mich ihr Blick,
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Noch denk ich mit Zittern
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Und Wonne zurück.
 
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Daheim in der Kirche,
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Am hohen Altar,
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Da stehet ein Bildnis,
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So herrlich und klar:
 
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Die Mutter des Heilands
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Am Sternenthron,
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In liebenden Armen
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Den göttlichen Sohn.
 
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Mit freundlicher Wehmut,
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So trostreich und lind,
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Verweilet ihr Auge
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Am schlafenden Kind;
 
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Sie scheints zu geleiten
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Auf künftiger Bahn
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So sah mich die Hohe,
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Die Liebliche an.
 
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O Blick ohnegleichen,
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Voll himmlischem Sinn,
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Er stammet vom Himmel
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Und führet dahin.
 
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Da stand ich und staunte,
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Mein selbst nicht bewußt,
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Mit tränenden Augen,
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Mit schwellender Brust.
 
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Jetzt lächelt die Hohe,
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Da fuhrs durch mich hin:
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Es ist unsre Mutter,
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Die Kaiserin!
 
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Nun will ich sie grüßen,
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Ich suche das Wort,
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Da rauscht es vorüber,
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Die Holde war fort.
 
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Ich Alberner rückte
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Nicht einmal den Hut,
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Nun wird sie wohl glauben,
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Ich sei ihr nicht gut,
 
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Glaubt wohl, daß in Östreich
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Ein einziger sei,
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Der sich ihrer Ankunft,
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Sich ihrer nicht freu!
 
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Noch heut soll sie kommen,
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Ich weiß es, zur Stadt,
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Da sehet ihr glücklichen
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Städter euch satt.
 
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Wenn ihr nun ihr zuruft
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In Freudenerguß,
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So bringt ihr auch meinen
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Verspäteten Gruß,
 
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Und sagt ihr: Der Junge
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Da draußen am Bach,
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Er stehe an Liebe
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Den Besten nicht nach.
 
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Für sie unser Leben,
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Für sie unser Blut!
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Kein einzger in Östreich,
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Der weniger tut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (32 KB)

Details zum Gedicht „Willkommen bei der Ankunft der vierten Gemahlin Kaiser Franz I“

Anzahl Strophen
23
Anzahl Verse
92
Anzahl Wörter
353
Entstehungsjahr
1791 - 1872
Epoche
Biedermeier,
Realismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Willkommen bei der Ankunft der vierten Gemahlin Kaiser Franz I“ ist Franz Grillparzer. Grillparzer wurde im Jahr 1791 in Wien geboren. Im Zeitraum zwischen 1807 und 1872 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Biedermeier oder Realismus zuordnen. Der Schriftsteller Grillparzer ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 92 Versen mit insgesamt 23 Strophen und umfasst dabei 353 Worte. Der Dichter Franz Grillparzer ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Wunderbrunnen“, „Entsagung“ und „Vorzeichen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Willkommen bei der Ankunft der vierten Gemahlin Kaiser Franz I“ weitere 300 Gedichte vor.

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