An Ludwig Börne von Louise Otto-Peters

Es war oft Brauch in alten frommen Zeiten
Daß eine heilge Lampe ward entzündet
Auf ein geliebtes Grab ihr Licht zu breiten,
Ein Liebeslicht das nimmermehr entschwindet
Mit seiner Wehmut sanftem Silberscheine.
Fürwahr! ich möchte gern den Brauch erneuen
Und Liebesschimmer auf ein Grab verstreuen,
Die Lampe hing so gern ich auf das Deine! –
 
Als mir zuerst die Kunde war gekommen:
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„Ach, unser Börne starb und Frankreichs Boden
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Hat unsren treusten Kämpfer aufgenommen?“ –
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Da kannte ich noch nicht den großen Toten;
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Sah nur der Lieder Leichenfackeln blinken,
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Die hinter Deinem Sarge hergetragen,
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Sah Deiner Jünger Thränen niedersinken –
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Und ließ mir Deines Lebens Kämpfe sagen.
 
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Nun lauscht ich selber der Prophetenstimme,
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Die für die Freiheit alles Volk entflammte,
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Die, bald vernichtend, Deines Hasses Grimme
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Bald Deiner Liebe für das Volk entstammte.
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Da preßt die Seele Sehnsucht mir zusammen,
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Ein lindernd Öl fühl da ich in mir fließen,
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In eine goldne Lampe möcht ich’s gießen
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Von Deinem Grabe durch die Welt zu flammen.
 
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Des Öles Balsam, den ich so empfangen,
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Es ist das Lied mit seinem hellen Dochte,
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Dem Freiheitsstreben und dem Kraftverlangen,
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Das ich nur Dir, nur Dir verdanken mochte!
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Ich bin ein Weib – doch wirst Du nicht verachten
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Mein Streben, nicht mein Lieben und mein Singen!
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Ich bin ein Kind – kann keine Schwerter schwingen,
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Den Brand nicht werfen, wo die Völker nachten.
 
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Doch ist’s ein weiblich, kindliches Geschäfte
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Der Treue Lampe sorgsam fortzupflegen.
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Das heischt nur Wachsamkeit nicht Männerkräfte
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Und giebt im Dunkeln doch des Lichtes Segen,
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Und wär es nur ein bleicher Silberschimmer:
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’s ist besser doch als ganz im Finstern weilen.
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Das Öl der Liebe brennt – doch kann’s auch heilen:
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Glut, Licht und Heilung braucht die Menschheit immer.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „An Ludwig Börne“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
283
Entstehungsjahr
1840-1850
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An Ludwig Börne“ wurde von der deutschen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters verfasst. Sie wurde am 26. März 1819 geboren und verstarb am 13. März 1895, womit das Gedicht zeitlich in die Mitte des 19. Jahrhunderts einzuordnen ist.

Bei einer ersten Lektüre fällt auf, dass es sich um ein sehr persönliches und emotional aufgeladenes Gedicht handelt. Es ist klar an eine bestimmte Person adressiert - Ludwig Börne, einen politischen Schriftsteller, der ebenfalls im 19. Jahrhundert lebte.

Im Inhalt erzählt das lyrische Ich von seiner tiefen Bewunderung und Achtung für Ludwig Börne, der offenbar während der Handlungszeit des Gedichts bereits verstorben ist (Vers 8, 10). Das lyrische Ich wünscht sich, eine Leuchte für seinen Grabschmuck bereitzustellen (Vers 7, 8). Diese symbolische Handlung unterstreicht die Bedeutung, die Börne für das lyrische Ich hatte.

Die Autorin glorifiziert Börne als einen Kämpfer für die Freiheit (Vers 18, 19). Sie fühlt sich tief verbunden mit seiner Mission und hofft, sein Vermächtnis fortzuführen (Vers 23, 24). Trotz ihrer eigenen Einschränkungen - sie ist eine Frau und ein Kind (Vers 29, 31) und damit in der damaligen Gesellschaft vermutlich weniger in der Lage, aktiv in die Politik einzugreifen - möchte sie sich für dieselben Ideale einsetzen, die auch Börne wichtig waren.

In Bezug auf die Form und die Sprache des Gedichts lässt sich feststellen, dass das Gedicht in fünf Oktaven verfasst ist. Die Verse sind gereimt, der Rhythmus ist flüssig und harmonisch. Die Sprache ist bildhaft und emotional aufgeladen, voller Metaphern und Symbolik. Besonders das Bild der Lampe, die auf Börnes Grab platziert wird, und die wiederkehrende Rolle des Lichts sind auffällig.

Dieses Gedicht ist somit ein klares Zeugnis von Otto-Peters' politischem Engagement und ihrer Bewunderung für Ludwig Börne. Es trägt starke emotionale und symbolische Elemente und zeigt auf subtile Weise den Wunsch der Autorin, die Leuchte der Freiheit und des Fortschritts am Leuchten zu halten, auch wenn sie als Frau und Kind vielleicht nicht die gleichen Möglichkeiten zur aktiven politischen Intervention hat.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „An Ludwig Börne“ ist Louise Otto-Peters. Die Autorin Louise Otto-Peters wurde 1819 in Meißen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1850. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 283 Worte. Die Dichterin Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für Gedichte wie „An Byron“, „An Georg Herwegh“ und „An Richard Wagner“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „An Ludwig Börne“ weitere 106 Gedichte vor.

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