An Herrn M. Christof Buhlen, von seiner Charitillen von Richard Dehmel

Zwar ich hatte längst in Willen,
Buhle, du gelehrter Man,
dir und deiner Charitillen
einen Ton zu stimmen an,
daß man könt' auch künftig sagen,
daß ich Lust zu euch getragen.
 
Seit mir aber meine Freuden
mein Verhängnüß mißgegünt,
und die von mir müssen scheiden,
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die mein Sin noch stets besint,
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ist mir etwas anzufangen
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alle Lieb' und Lust vergangen.
 
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Und wo ist denn Charitille,
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Charitille, deine Zier,
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deine Hülle, deine Fülle
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und dein ganzes Du nach dir,
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Charitille, der zu Ehren
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ich ein Lied soll lassen hören?
 
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Deine Lust, sie ist entwichen,
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deine Zier ist weit von dir.
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Du auch bist ihr nach geschlichen,
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nur dein Schatten ist noch hier,
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nun uns Gottes Eifer rühret
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und in ein solch Elend führet.
 
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Schöne Stadt, ich trag' Erbarmen
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über deinen schweren Fall,
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daß dich Furcht und Tod umarmen
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hier und da und überall.
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Wenn, ach! wenn wol wirds geschehen,
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daß wir dich in Frieden sehen?
 
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Ich, wie sehr ich sonst verletzet
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über der Rubellen bin,
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werde doch itzt mehr verhetzet
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zu betrüben meinen Sin,
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weil ich dich, du werter Buhle,
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nicht seh' in der Liebes-Schule.
 
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Weiln auch deine Charitille
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nicht bei uns zugegen ist,
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so ist Alles öd' und stille,
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Alles hat sein Leid erkiest.
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Nichts will Fröligkeit beginnen,
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weil die Freud' ist selbst von hinnen.
 
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Phöbus scheint mir selbst zu trauren,
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er verkürzt den müden Tag,
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weil er um bewußte Mauren
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seine Zier nicht sehen mag.
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Lune will mich blässer deuchten
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und die Sternen minder leuchten.
 
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Da man sonsten hin und wieder
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um den Pleiß- und Elsterstrand
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hörte manche schöne Lieder,
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da ist itzt ein Stillestand.
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Alle Hirten, alle Heerden
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sieht man stündlich dünner werden.
 
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Aller Trost ist hin verschwunden
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mit dem Sommer und mit ihr.
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Du hast keine Lust empfunden,
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seit sie, Freund, nicht ist bei dir.
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Doch so mach dir nicht zu bange!
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Sie wird sein von dir nicht lange.
 
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Zweierlei hat man vom Lieben,
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so man standhaft ausverharrt:
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in dem Absein das Betrüben,
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Freuen in der Gegenwart.
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Lust und Leid ist der ergeben,
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wer in treuer Brunst will leben.
 
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Kommt doch bald, ihr edlen Tage,
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komm doch bald, du güldne Zeit,
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daß mein Buhle frölich sage:
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Weg, verhaßte Traurigkeit!
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Ich bin aller Not entnommen;
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Charitille, sei willkommen!
 
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Denn will ich auch lustig singen
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und mit euch mich freuen sehr,
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obgleich ich von gleichen Dingen
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nichts zu hoffen nimmermehr.
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Muß schon ich mich stets betrüben,
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doch seh' ich gern' Andre lieben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.2 KB)

Details zum Gedicht „An Herrn M. Christof Buhlen, von seiner Charitillen“

Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
78
Anzahl Wörter
403
Entstehungsjahr
nach 1879
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Richard Dehmel ist der Autor des Gedichtes „An Herrn M. Christof Buhlen, von seiner Charitillen“. Dehmel wurde im Jahr 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1879 und 1920. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 403 Wörter. Es baut sich aus 13 Strophen auf und besteht aus 78 Versen. Richard Dehmel ist auch der Autor für Gedichte wie „Antwort“, „Auf der Reise“ und „Aufblick“. Zum Autor des Gedichtes „An Herrn M. Christof Buhlen, von seiner Charitillen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 522 Gedichte vor.

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