An eben Selbige von Richard Dehmel

Dieses, was ich euch itzt singe,
denkt nicht, daß es meine sei!
Dessen ists, der solche Dinge
durch euch, ihr gelobten Zwei,
ihm gedenket zu verbringen,
die man weit und breit soll singen.
 
Das erlöste Volk der Erden,
so nach Gottes Sohne heißt
und durch euch soll freier werden,
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das erhebet Stimm' und Geist
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und ruft wie aus einem Munde:
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Zieht zu einer guten Stunde!
 
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Zieht zu einer guten Stunde!
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rufen wir und wer euch liebt.
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Wem es geht von Herzengrunde,
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der ist mehr froh als betrübt;
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diß, weil ihr ihm seid benommen;
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jenes, was darauf soll kommen,
 
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was ihr halb froh itzund schauen,
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ja kaum noch besprechen könnt.
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Eure selbst Ihr, eure Frauen,
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wündschen euch, was ihr euch gönnt,
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hoffend, dieses saure Scheiden
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bring' einst desto süßre Freuden.
 
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Das Geschrei so großer Sachen
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dringet durch die breite Welt.
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Die erfreuten Russen warten,
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bis ihr euch vor ihnen stellt.
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Tauris wartet mit Verlangen,
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wie es euch bald soll empfangen.
 
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Euch soll treffen ganz kein Schade!
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Wie Hamburg euch ausgesandt,
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soll das Kaspische Gestade
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euch sehn steigen auf sein Land!
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Ihr sollt, wie ihr werdet spüren,
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auch den Schwächsten nicht verlieren!
 
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Gott, der Leitstern, ist nicht trübe,
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zeigt den Weg auf fremder See.
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Eurer hohen Fürsten Liebe
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sein die Brüder Helene.
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Wind und Flut fugt nach Begehren
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durch so manche Wündsch' und Zähren.
 
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Nord und Osten, Süd und Westen,
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die verschwören sich zu euch.
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Euch ist gönstig nach dem Besten
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das gemeine Sternen-Reich.
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Wer mit Gott und Menschen reiset,
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der ist billich hochgepreiset.
 
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Ich bin froh, daß mir der Himmel
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solche Gunst hat angetan,
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daß ich unser Kriegsgetümmel
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kan von fernen sehen an
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und den Weg so hoher Sachen
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mit euch großen Leuten machen.
 
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Was wol soll mich das bewegen,
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was hiervon der Pövel spricht,
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der sich Allem setzt entgegen,
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was er selbst kan haben nicht?
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Künftig will ich Einen fragen,
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was er denn darzu wird sagen.
 
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Mutter Teutschland, leg indessen
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deine langen Kriege hin,
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weil du nun kanst satt ermessen,
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was bei Zank ist für Gewin!
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So du bist des Schlagens müde,
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so ergreife doch den Friede!
 
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Des Verhängnüß Schreiberinnen,
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die drei Parzen, gehn herein:
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was sie künftig werden spinnen,
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soll von Nichts als Gutem sein.
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Die verlebte Zeit der Erden
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soll der jungen ähnlich werden.
 
73 
Hier hat Gottes Grimm ein Ende:
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förderhin gilt Nichts als Gunst.
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Samlet euch, ihr hohen Stände,
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heget eine neue Brunst,
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eine Brunst, so die noch Schwachen
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froh und warm und stark kan machen!
 
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Diß Land, das von neuem Zagen
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itzt erzittert weit und breit,
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wird alsdenn erfreuet sagen:
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Es ist überhin mein Leid.
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Ach, daß dieser Trost der Frommen
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doch noch heute solle kommen!
 
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Gute Nacht, ihr deutschen Felder,
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du berühmtes ebnes Land!
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Wasser, Berge, Wildniß, Wälder
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stoßen uns forthin zu Hand.
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Denkt, daß eurer Ruhe wegen
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wir der Mühe ziehn entgegen!
 
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Gott der geb' euch besser Glücke
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und gewündschtern Sonnenschein!
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Kommen wir, will er, zurücke,
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so soll alles Friede sein
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oder, will es nicht gelingen,
96 
so wolln wir euch einen bringen!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (31 KB)

Details zum Gedicht „An eben Selbige“

Anzahl Strophen
16
Anzahl Verse
96
Anzahl Wörter
498
Entstehungsjahr
nach 1879
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An eben Selbige“ des Autors Richard Dehmel. Im Jahr 1863 wurde Dehmel in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1879 bis 1920 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Dehmel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 96 Versen mit insgesamt 16 Strophen und umfasst dabei 498 Worte. Die Gedichte „Ballade vom Volk“, „Bann“ und „Bastard“ sind weitere Werke des Autors Richard Dehmel. Zum Autor des Gedichtes „An eben Selbige“ haben wir auf abi-pur.de weitere 522 Gedichte veröffentlicht.

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