Alcest von Christian Fürchtegott Gellert

Durch Unglück mehr als durch Versehn
Verlor Alcest im Handel sein Vermögen.
Er saß bereits der Schulden wegen.
Kein Freund erschien, ihm beizustehn,
So viel in London ihrer waren.
Sein Sohn allein, noch in des Jünglings Jahren,
Wagt's, seine Freiheit zu erflehn.
Er wagt sich zärtlich vor Valeren,
Der dem Alcest das meiste Geld geliehn,
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Und bittet mit den treusten Zähren,
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Die schamhaft von den Wangen fliehn,
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Dem Vater doch das Glück der Freiheit zu gewähren.
 
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»Nein«, spricht Valer, »mit meinem Willen nicht.
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Soll mich ein jeder Bösewicht
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Um so viel tausend Pfund betrügen?
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Bezahlet mich dein Vater nicht:
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So soll er nie die Freiheit kriegen.«
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Bestürmt von Scham, von Zärtlichkeit und Pflicht,
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Wirft sich der Sohn zu seinen Füßen.
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»O! Gott, was hab' ich hören müssen!
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Schmäht meinen armen Vater nicht.
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Unglücklich ist er nur, allein kein Bösewicht;
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Laßt mich an seiner Statt verschließen:
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Ich weiße nicht von Euren Füßen;
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Als bis ich diesen Wunsch erreicht!«
 
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Valer bewunderte des Jünglings edle Triebe,
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Empfand die Macht des Mitleids und der Liebe
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Und ward mit einem Mal erweicht.
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Er hob ihn auf mit zitterndem Erbarmen.
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»Ich«, sprach er, »habe dich durch meine Streng' entehrt;
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Laß zur Versöhnung dich umarmen,
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Dein Herz ist deiner Bitte wert.
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Dem Vater soll des Sohnes wegen
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Die ganze Schuld erlassen sein;
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Allein wer wird das andre Geld erlegen,
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Um deinen Vater zu befrein?«
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Der Jüngling weint.
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»Hör' an, ich habe viel Vermögen
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Und eine Tochter nur, die lieb' ich ungemein,
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Ihr Herz ist deiner wert; willst du mein Eidam sein?
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So habe sie und meinen ganzen Segen.«
 
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Die Schöne reicht die Hand dem edlen Jüngling dar
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Und o! wie glücklich ward dies Paar!
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Itzt aber gingen sie, der Jüngling und die Schöne,
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Aus der Gefangenschaft den Vater zu befrein.
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Erst tritt der Sohn und nun tritt sie herein.
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Welch freudig Schrecken nimmt mich ein!
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Ich sehe sie - doch diese Szene
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Will nur gefühlt und nicht beschrieben sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.4 KB)

Details zum Gedicht „Alcest“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
49
Anzahl Wörter
322
Entstehungsjahr
1715 - 1769
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Alcest“ ist Christian Fürchtegott Gellert. Geboren wurde Gellert im Jahr 1715 in Hainichen. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1731 und 1769. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Aufklärung zuordnen. Bei dem Schriftsteller Gellert handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 322 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 49 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Der Dichter Christian Fürchtegott Gellert ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Selbstmord“, „Nicht jede Besserung ist Tugend“ und „Der Jüngling und der Greis“. Zum Autor des Gedichtes „Alcest“ haben wir auf abi-pur.de weitere 164 Gedichte veröffentlicht.

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