Ampelschatten hüllt vier bebende Lippen von Richard Dehmel

Ampelschatten hüllt vier bebende Lippen.
Der Park wankt, als wühlten Geister drin;
Nachtsturm reißt an den Fensterrippen.
Die dunkeln Lebensbäume schwippen
tief zur verschneiten Erde hin.
Die bebenden Lippen atmen so schwer,
wie Menschen atmen, um nicht zu stöhnen.
Dumpf horcht der Mann nach den heulenden Tönen,
die bald aufhimmeln, bald tierisch röcheln.
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Er preßt die Adern auf seinen Knöcheln:
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das Weib, stumm wie er,
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ist ihm zu Füßen vom Divan gesunken:
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sie ringt die Finger auf seinen Knien.
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Ihre schwangern Hüften umschauern ihn.
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Sie stammelt trunken:
 
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So komm doch! nimm mich doch! trag mich weg!
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ich will ja blindlings Alles dir geben!
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Und wenn's mich umbringt hier auf dem Fleck,
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ich will ja mein eigen Blut hergeben!
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Nur schau nicht so grauenhaft tot ins Leben!
 
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Sie klammert sich hoch an seinen Armen
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an seine Brust; die hämmert zum Sturmerbarmen.
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Er stöhnt. Sie schüttelt ihn: komm! Sie hört
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ihn betteln: ja komm! Sie liegt emporgerissen
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auf seinen entbreiteten Fäusten mit schwebenden Füßen,
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und -: verstört
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holen zwei Augen ihr aus den Eingeweiden
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eine Nacht von Entsetzen und Weh:
 
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Geh - keucht er - geh!
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Dein - sein Kind regt sich zwischen uns beiden!
 
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Er reißt sie an sich, reißt sich los;
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der Sturm heult wahre Trauer-Oden.
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Komm! ringen vier Hände Schooß an Schooß.
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Geh! recken zwei Arme riesengroß
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sich zum Stoß.
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Zwei Menschen winden sich am Boden.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Ampelschatten hüllt vier bebende Lippen“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
227
Entstehungsjahr
1863 - 1920
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ampelschatten hüllt vier bebende Lippen“ des Autors Richard Dehmel. Der Autor Richard Dehmel wurde 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1879 bis 1920 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Bei dem Schriftsteller Dehmel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 227 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Weitere Werke des Dichters Richard Dehmel sind „Bastard“, „Bitte“ und „Büßende Liebe“. Zum Autor des Gedichtes „Ampelschatten hüllt vier bebende Lippen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 522 Gedichte vor.

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