Zwei Menschen gehn durch nebelnassen Hain von Richard Dehmel

Zwei Menschen gehn durch nebelnassen Hain;
er faßt einen alten Friedhof ein.
Die feuchten Blätter hängen schwer herab,
so schwer, als möchten sie die Zweige brechen;
sie hängen um ein frisches Grab.
Ein Mann beginnt sich auszusprechen:
 
Nach diesen Trennungstagen,
die einen Andern aus mir machten,
will ich mein wahres Trachten
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nicht länger halb im Dunkeln vor dir tragen.
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Eh ich die Leiche liegen sah,
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hatt ich den Traum, ihr stilles Antlitz trüge
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den Mut der Tat zur Schau; der Traum war Lüge.
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Ich sah in ihre zerlittenen Züge:
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dem Wahnsinn schien die starre Maske nah.
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Ich habe vor dem Anblick nicht gebebt;
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da lag ein Herz, der Einsamkeit erlegen.
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Ich stand und fühlte das Gesetz: wer lebt,
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hilft töten, ob er will ob nicht.
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Und aus dem gramvollen Gesicht
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schlug kalt die Mahnung mir entgegen:
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Keinen zu brauchen, gottgleich allein
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williges Herz der Welt zu sein!
 
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Er neigt sich, um die tropfenschweren
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Blätter von sich abzuwehren.
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Mitwehrend spricht ein Weib in ihn hinein:
 
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Wie du gestanden hast an ihrer Bahre,
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erkenn ich aus dem Büschel grauer Haare,
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der früher nicht an deiner Schläfe drohte.
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Wozu nun noch verstorbnes Leid auffrischen!
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Das Leben wird dir's ebenso verwischen
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wie hier dies Zeichen - sieh: ich geb's der Toten.
 
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Sie legt ihre Hand wie segnend auf das Grab;
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sie drückt sich tief im feuchten Erdreich ab,
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ein Tropfen schimmert in dem schwarzen Ballen.
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Zwei Menschen stehn, als sei ein Schwur gefallen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Zwei Menschen gehn durch nebelnassen Hain“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
239
Entstehungsjahr
1863 - 1920
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Zwei Menschen gehn durch nebelnassen Hain“ ist Richard Dehmel. 1863 wurde Dehmel in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Im Zeitraum zwischen 1879 und 1920 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Der Schriftsteller Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 239 Worte. Weitere Werke des Dichters Richard Dehmel sind „An mein Volk“, „Antwort“ und „Auf der Reise“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Zwei Menschen gehn durch nebelnassen Hain“ weitere 522 Gedichte vor.

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