Ein gekrönter Dichter von Louise Otto-Peters

Gen Augsburg zog der ritterliche Sänger
Ulrich von Hutten, aus dem fernen Süd;
Italien mag dulden den nicht länger,
Der für die Wahrheit und die Freiheit glüht.
Der Meuchler Dolche sind für ihn gedungen,
Im goldnen Becher schäumt ein tödlich Gift,
Ein Anathem’ von strengen Priesterzungen
Wirft in den Bann des Neurers Lied und Schrift.
 
So kehrt er zu dem deutschen Vaterlande
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Sein treuster Sohn, und vor ihm zieht sein Ruf,
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Der Name, den Begeistrung preisend nannte,
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Den ihm sein Lied, sein Heldentum erschuf.
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Und Augsburgs hochgelahrter Bürgermeister,
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Peutinger, öffnet gastlich ihm sein Haus,
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Hochehrend grüßen ihn verwandte Geister,
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In alle Lande schallt sein Ruhm hinaus.
 
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Ein langer Festzug wogt durch Augsburgs Gassen
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Bei stolzer Rythmen jubelndem Geleit,
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Ein Jauchzen von der Reichsstadt Volkesmassen
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Preist laut des deutschen Kaisers Herrlichkeit.
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Zum Reichstag war der Kaiser Max gekommen,
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Der, noch ein Feuergeist im Silberhaar,
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Von allen Fürsten, Habsburg Stamm entglommen
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Der edelste, der Held’ und Dichter war.
 
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Den Helden und den Dichter will er grüßen,
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Ulrich von Hutten, dessen kühner Sang
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Und Heldenthaten Anrecht wohl verhießen
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Auf einen Dank des Helden Theuerdank.
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Trompetenstoß und drauf des Herolds Kunde:
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Zum Ritter schlug des Kaisers eigne Hand
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Vor aller Fürsten feierlicher Runde,
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Den Hutten, der begeistert vor ihm stand.
 
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Er beugt sein Knie zu einem süßern Lohne:
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Peutingers Tochter naht, die schönste Maid,
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Und drückt aufs Haupt ihm eine Lorberkrone,
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Dem Dichter feierlich zum Ruhm geweiht.
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Da loht Begeist’rung hell in seinen Blicken,
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Er küßt das Schwert, das ihn zum Ritter schlug,
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Er küßt die weiße Hand im Hochentzücken,
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Die ihm den Lorberkranz entgegentrug.
 
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Wie reich an Wonne diese eine Stunde!
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Sein deutscher Kaiser, selbst ein Dichterheld,
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Sein deutsches Volk jauchzt ihm mit einem Munde,
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Sein Name klingt hinaus in alle Welt.
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Und vor ihm sie, die minnigliche Schöne,
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Die liebdurchglüht ihm reicht den Lorberkranz
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Er weiht das deutsche Mädchen zur Kamöne,
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Wie strahlt sein Aug’ von sel’gem Himmelsglanz!
 
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Wo ist ein Held wie er so hochbeglücket?
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Sein Bildnis mit dem Lorberkranz und Schwert
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Im deutschen Land Palast und Hütte schmücket,
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Von Fürst und Volk wird er zugleich geehrt.
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Und doch! – die sel’ge Stunde zog vorüber,
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Nicht Ruhm, noch Glück, noch Liebe hält ihn auf,
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Bald wird sein Auge wieder trüb’ und trüber
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Und immer dorniger sein Heldenlauf.
 
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Was ist ein Held, der nicht in Thaten zeiget,
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Daß er ein Ritter, dem das Schwert zur Hand?
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Was ist ein Dichter, der erschrocken schweiget
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Wenn man sein Lied zu kühn und trotzig fand?
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Kein Hutten ist’s! ein Hutten kann entbehren
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Der Fürsten Huld – ein Hutten überragt
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Mit seinem Geistesfluge Glück und Ehren,
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Der Wahrheit treu ruft er: „Ich hab’s gewagt!“
 
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Ich hab’s gewagt für meines Volkes Sache,
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Ich habs gewagt für Wahrheit und für Recht!
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Der deutschen Freiheit stellt er sich zur Wache,
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Wird keines Kaisers, keines Fürsten Knecht.
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Und sollt er auch der Minne Glück verlieren,
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Und sollt er flüchten auch vervehmt, verklagt –
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Im Unglück noch bleibt ihm sein Triumphieren,
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Das stolze Dichterwort: „Ich hab’s gewagt!“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.3 KB)

Details zum Gedicht „Ein gekrönter Dichter“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
72
Anzahl Wörter
500
Entstehungsjahr
1850-1860
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das eben beschriebene Gedicht „Ein gekrönter Dichter“ wurde von der deutschen Autorin und Revolutionärin Louise Otto-Peters verfasst, die von 1819 bis 1895 lebte und eine wichtige Rolle in der deutschen Frauenbewegung spielte. Es besteht aus neun Strophen, die jeweils acht Verse enthalten und handelt vom Leben des deutschen Ritters und Dichters Ulrich von Hutten.

Das Gedicht folgt der Erzählung der historischen Figur des Ulrich von Hutten und erzählt von seinem Leben, seinen Erfolgen und seinen Niederlagen. Ulrich von Hutten ist ein Symbol für Mut und Widerstand gegen Tyrannei in diesem Gedicht, indem er seiner Leidenschaft für Freiheit und Wahrheit folgt, auch auf Kosten seines eigenen Wohlergehens.

Das lyrische Ich glorifiziert Ulrich von Hutten und preist seinen Widerstand gegen Tyrannei und seine Leidenschaft für die Freiheit. Er wird dargestellt als mutiger Held, dessen Lieder und Taten einen weitreichenden Einfluss hatten und der auf die Anerkennung seiner Zeitgenossen stieß. Das Gedicht endet mit einem starken und hoffnungsvollen Ton mit den Worten „Ich hab‘s gewagt“, die von Ulrich von Huttens unzerbrechlicher Entschlossenheit zeugen.

Was die Form betrifft, so sind das Gedicht und seine Verse in einem einfachen und verständlichen Stil geschrieben. Es besteht aus sauber gereimten couplets und befolgt ein klares rhythmischen Muster und eine streng geregelte Metrik, was zu einer ordentlichen und geordneten Struktur führt.

Die Sprache des Gedichts ist formell und feierlich, mit einem starken Fokus auf Beschreibungen und Bildern, um den Charakter und die Hingabe von Hutten zu porträtieren. Es ist reich an Metaphern und historischen Bezügen, welche die Heldenreise von Huttens Leben und seine Leidenschaft für die Wahrheit und Freiheit hervorheben.

Das Gedicht dient nicht nur als Biographie von Ulrich von Hutten, sondern auch als Kommentar zur gesellschaftlichen Situation der Zeit, insbesondere in Bezug auf die Kämpfe und Herausforderungen von Künstlern und Denkern. Es stellt nicht nur das Leben und die Taten eines Dichters dar, sondern auch die Bedeutung der Kunst und Poesie in der Gesellschaft und die Notwendigkeit für Künstler, ihre Wahrheit mutig auszudrücken, ungeachtet der Konsequenzen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Ein gekrönter Dichter“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Louise Otto-Peters. Im Jahr 1819 wurde Otto-Peters in Meißen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1860 entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her der Epoche Realismus zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 500 Wörter. Es baut sich aus 9 Strophen auf und besteht aus 72 Versen. Die Dichterin Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für Gedichte wie „Am längsten Tage“, „An Alfred Meißner“ und „An August Peters“. Zur Autorin des Gedichtes „Ein gekrönter Dichter“ haben wir auf abi-pur.de weitere 106 Gedichte veröffentlicht.

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