An Budissin von George Gotthold Monse

Von allen Städten, die ich je gesehen,
bist, Budissin, du mir die theuerste!
Und dieses öffentlich dir zu gestehen,
war meiner Muse Pflichten heiligste. –
 
Ich sah einst grosser Fürsten Residenzen,
berauschte mich in ihren Freuden mit;
sah’, wie in königlichen Opern, Tänzen
und Festen Pracht mit Unbestand sich stritt.
 
Ich sahe jeden Tag verneute Szenen –
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dem wissbegiergen Jünglinge so schön –
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sah’ freier dort den Leidenschaften fröhnen,
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zum Laster schneller Tugend übergehn.
 
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Doch alles Glänzende der grössern Städte
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wägt, Budissin, mir nicht an deinen Werth –
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Von keinem deiner Bürger – ha! ich wette,
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wirst heisser du geliebt und mehr geehrt.
 
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Denn fast ein volles Menschenalter schliessest
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Du traulich mich in Deine Mauern ein;
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und wenn Du mich auch manchmal klagen liessest,
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so durft’ ich doch noch mehr in Dir mich freun. –
 
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Ist zwar Dein Inbezirk nicht mit Pallästen
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für Höhere der Sterblichen erbaut,
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hast Du an Häusern doch die schönsten, besten,
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die man in mancher grössern Stadt nicht schaut.
 
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Sind Deine Gärten nicht mit Monumenten
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Apelles und der Künstler Roms erfüllt,
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wenn nur das, was wir hier nicht missen könnten,
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gefällige Natur sich uns enthüllt.
 
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Sind zwar nicht gross und fürstlich Deine Freuden;
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nicht hoher Zauber die Vergnügungen;
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o, Freunde sind fürwahr oft zu beneiden,
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die sich vereint des Lebens Glück erhöhn.
 
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Wie majestätisch zeigst du in der Ferne
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mit deinen Thürmen dich vom Ost und West;
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und mancher müde Wandrer siehet gerne,
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wenn ihn das Ziel nun seiner Pflicht entlässt.
 
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Wie reizend sind dem Manne von Gefühle
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die Gegenden hier alle weit umher;
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wie Manches dient da der Natur zum Spiele
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und kommt dem Blicke wie von ohngefähr.
 
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Wie viele brave gute Menschen wohnen
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in deinen Mauern, theures Budissin!
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Hier, wo Erwerbe stets den Fleiss belohnen,
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wo Wissenschaften und Fabriken blühn.
 
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Wo nicht die Zwietracht ihren giftgen Saamen
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wie vormals unter die Bewohner streut;
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wo jeder, der hier trägt den Bürgernamen,
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dem Landesfürsten eine Schutzwehr beut.
 
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Du Ort, der manchen Mann von biederm Schlage,
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der meine offne teutsche Sitten liebt
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und mir so oft des Lebens flücht’ge Tage
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mit Freuden heitert, mir zum Freunde giebt.
 
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So steh’ dann, Stadt, vom Mächtigen beschirmet,
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der Welten nur mit einem Winke hält,
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und wenn ein Wetter über dir sich thürmet,
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hab’ deinen Schutzgeist er zu dir gestellt!
 
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Er schaff’, dass jeder deiner Nahrungszweige,
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dein Wohlstand, aller deiner Bürger Glück
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mit jedem Jahre immer höher steige,
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und jeder wandele mit heiterm Blick!
 
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Drum, von den Städten, die ich je gesehen,
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bist, Budissin, du mir die theuerste!
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Dies werde ich dir immer laut gestehen,
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bis ich in deine Erde ruhen geh.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.3 KB)

Details zum Gedicht „An Budissin“

Anzahl Strophen
16
Anzahl Verse
64
Anzahl Wörter
426
Entstehungsjahr
1798
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An Budissin“ wurde von George Gotthold Monse verfasst, der von 1751 bis 1811 lebte. Dies platziert das Gedicht zeitlich in die späte Aufklärungszeit bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine Ode oder Huldigung an eine Stadt, in diesem Fall Budissin, die heute unter dem Namen Bautzen bekannt ist. Der Ton des Gedichts ist sehr lobend und schwärmerisch, und das lyrische Ich scheint eine tiefe emotional Verbundenheit mit der Stadt zu fühlen.

In Bezug auf den Inhalt, zeichnet das lyrische Ich ein Bild von einer Stadt, die in seinen Augen mehr Wert hat als alle anderen Orte, die es gesehen hat (Verse 1-4). Es erinnert sich an seine Erlebnisse in anderen Städten und weist auf die Pracht und das Vergnügen hin, die es dort gesehen und erfahren hat (Verse 5-12). Trotzdem betont das lyrische Ich, dass Budissin mit all seinem Glanz und seinen Bürgern die kostbarste Stadt für es bleibt. Es würdigt die Schönheit und Gemütlichkeit von Budissin, die Werte und Bräuche der Menschen, die dort leben und betont seine tiefe Zuneigung und Respekt für diese Stadt (Verse 13-64).

In Bezug auf die Form besteht das Gedicht aus 16 Strophen, die jeweils aus vier Versen bestehen. Es handelt sich dabei um eine recht strenge Form, was auf eine hohe Sorgfalt und Überlegung bei der Gestaltung des Gedichts hindeutet. Die Sprache des Gedichts ist höfisch und recht formell, mit vielen bildhaften und ausdrucksvollen Beschreibungen. Dennoch wirkt das Gedicht emotional und kommt vom Herzen, wie die wiederholten Bekenntnisse der Liebe und Wertschätzung für Budissin zeigen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass „An Budissin“ ein liebevolles und schwärmerisches Porträt einer Stadt ist, das sich durch seinen emotionalen Gehalt und seine detaillierten und lebhaften Beschreibungen auszeichnet. Durch die Blicke des lyrischen Ichs werden die Schönheit und der Wert der Stadt hervorgehoben und die tiefe Zuneigung und Verehrung des Autors für diese Stadt wird deutlich.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An Budissin“ ist George Gotthold Monse. Im Jahr 1751 wurde Monse in Fischbach bei Landshut und Hirschberg geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1798. Der Erscheinungsort ist Bautzen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik oder Romantik zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 426 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 64 Versen mit insgesamt 16 Strophen. Zum Autor des Gedichtes „An Budissin“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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