Als er sich über ihre Härtigkeit beklagte von Christiana Mariana von Ziegler

Geliebtes Engels-Kind! dein unempfindlich Wesen,
Das mir dein kaltes Hertz und Auge gibt zu lesen,
Verzehrt mir Marck und Bluth aus Adern und Gebein,
So daß ich leider! muß ein halber Mensche seyn.
So oft die Leidenschafft mich heist mit dir besprechen,
So suchst du das Gespräch mit List zu unterbrechen.
Dein Hertz ist Felsen gleich und dein verstockter Sinn
Macht, daß ich meiner nicht, wie vor, mehr mächtig bin.
Du merckst wohl meinen Schmertz, und doch muß ich mich quälen,
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Die Sehnsucht rühret mir das innerste der Seelen.
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Mein Hertz verwelckt dabey wie dürres Espen-Laub,
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Und dennoch bleibest du bey meinen Bitten taub.
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Ihr Sterne! helfft mir doch ihr Hertze mit erbitten,
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Ihr wist, was ich bißher um selbige gelitten.
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Wiewohl es ist umsonst, ihr seyd so schwach als ich,
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Ihr harter Sinn verlacht euch ebenfals wie mich.
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Ach strenge Flavia, behertzge dein Beginnen,
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Du siehst das herbe Naß der Thränen hefftig rinnen,
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Und doch wilst du dabey ein Scyth und Barbar seyn;
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Verbleibt denn deine Brust noch immer Stahl und Stein?
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Besinne dich, mein Kind, laß Härt und Kälte schwinden,
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Du kanst leicht auf der Welt wohl keinen Menschen finden,
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Der dich so zärtlich liebt, mehr als sein Auge hegt,
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Und sich zu deinen Fuß mit grössrer Ehrfurcht legt.
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Verstelle dich nur nicht, als köntest du nicht lieben,
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In deiner Augen Paar steht warlich was geschrieben,
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Woraus ein iederman mehr als zu deutlich schaut,
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Die Liebe habe dir ihr Wappen anvertraut.
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Hör auf, Annehmlichste, mich fernerweit zu quälen,
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Die Großmuth ist ja sonst das Merckmahl schöner Seelen,
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O laß doch selbige dir auch zur Seiten stehn,
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Damit ich mit Triumph kan in dein Hertze gehn.
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Die Hoffnung scheinet mich noch immer zu begleiten,
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Obgleich mein Hertze will mit Furcht und Zweifel streiten.
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Erbarm, O Schönste! dich, ertheile mir Bericht,
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Ob mir nunmehr dein Mund ein gnädig Urthel spricht.
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Fehl ich, so will ich mich in mein Verhängniß schicken,
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Und nunmehr weiter nicht nach etwas andern blicken,
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Vielleicht kan dir, wie mir, dergleichen auch geschehn,
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Wenn sich dein Augen-Paar was liebes ausersehn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.6 KB)

Details zum Gedicht „Als er sich über ihre Härtigkeit beklagte“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
343
Entstehungsjahr
1695 - 1760
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Als er sich über ihre Härtigkeit beklagte“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Christiana Mariana von Ziegler. Im Jahr 1695 wurde Ziegler in Leipzig geboren. Im Zeitraum zwischen 1711 und 1760 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Aufklärung kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Bei Ziegler handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 343 Worte. Die Gedichte „Auf den Geburths-Tag eines guten Freundes“, „Auf den krancken Livio“ und „Damons Antwort-Schreiben an die hochmüthige Marillis“ sind weitere Werke der Autorin Christiana Mariana von Ziegler. Zur Autorin des Gedichtes „Als er sich über ihre Härtigkeit beklagte“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 121 Gedichte vor.

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