Der Wassermann von Therese von Artner
1 |
Schon streift die Erd' ihren Winterflor |
2 |
Herab, zart grünet die Saat hervor, |
3 |
Weiß öffnen die Blüthenäuglein die Sträuche |
4 |
Und Windicht ergilbt schon am Bach und am Teiche. |
|
|
5 |
Den Korb auf dem Haupte, das Kind an der Hand, |
6 |
Geht da die Mutter zum Bachestrand. |
7 |
Es hüpft ihr zur Seite mit nackten Füßen, |
8 |
Will jubelnd jegliches Blümlein grüßen. |
|
|
9 |
"Still," spricht die Mutter, "mein Liebes, gemach! |
10 |
Die schönsten blühen dort unten am Bach. |
11 |
Indeß ich spüle, magst du sie pflücken, |
12 |
Und dich, wie ein Bräutlein, mit Kränzen schmücken. |
|
|
13 |
Sieh' Veilchen und hellblauen Ehrenpreis |
14 |
Und Waldanemonen, so zart und weiß. |
15 |
Da stehn sie, und heben zur Sonne die Köpfchen, |
16 |
Und Löwenzahn, strahlend wie goldne Knöpfchen." |
|
|
17 |
Da jauchzet das Mägdlein und pflückt und pflückt, |
18 |
Voll Eifer über den Bach gebückt; |
19 |
Und freudig wird nun, was es gefunden, |
20 |
In einen wechselnden Kranz gebunden. |
|
|
21 |
Die Mutter emsiglich wäscht und spült, |
22 |
Dieweil das Kind in den Blumen wühlt. |
23 |
Es rauschen heut höher des Baches Wellen, |
24 |
Geschwellt von den thauenden Bergesquellen. |
|
|
25 |
Auf seiner Locken hellblonden Glanz |
26 |
Drückt lächelnd das Kind nund den farbigen Kranz. |
27 |
"Sieh, Mutter, so schmückten sie Nachbars Liese, |
28 |
Als sie gegangen zum Paradiese." |
|
|
29 |
"Nicht also, mein Holdes! So schmückt man die Braut, |
30 |
Wird sie dem Mann, den sie liebt, getraut; |
31 |
So wirst auch eines der Nachbarsbübchen |
32 |
Du einst dir erkiesen zum trauten Liebchen." |
|
|
33 |
Fort spült, die Mutter und weiter pflückt |
34 |
Das Kind, bekränzt über'n Bach gebückt. |
35 |
Sein Bild sah der Wassermann rosig und munter, |
36 |
Da zog er es leise zu sich hinunter. |
|
|
37 |
Fort spült die Mutter - auf einmal blickt |
38 |
Sie hin nach dem Mägdlein - es ist ihr entrückt! |
39 |
Doch auf dem Platze, wo es verschwunden, |
40 |
Schwimmt noch das Kränzlein, was es gebunden. |
Details zum Gedicht „Der Wassermann“
Therese von Artner
10
40
286
1772 - 1829
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Wassermann“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Therese von Artner. Geboren wurde Artner im Jahr 1772 in Šintava/Schintau, Oberungarn/Slowakei. Im Zeitraum zwischen 1788 und 1829 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten der Autorin lassen eine Zuordnung zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 286 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen. Das Gedicht „Die Schranken der Endlichkeit“ ist ein weiteres Werk der Autorin Therese von Artner. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Der Wassermann“ keine weiteren Gedichte vor.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?
Weitere Gedichte des Autors Therese von Artner (Infos zum Autor)
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt