Am St. Niklastag. 1826 von Clemens Brentano
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Sieh ich bin eine Magd des Herrn |
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Das ist der Umfang und der Kern |
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Der Jungfraunbildung nah und fern |
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Die nur von Jesu Mutter lern'! |
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Die recht Sophia, Weisheit heißt, |
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Die lernt' es auch vom heil'gen Geist |
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Spes, Fides, Caritas, das sind |
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Glaub', Hoffnung, Lieb', der Weisheit Kind, |
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Die kannten Umfang auch und Kern |
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Der Jungfraunschule nah und fern |
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Im: Sieh, ich bin die Magd des Herrn |
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Und starben für den Glauben gern. |
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Was du davon nicht weißt, das lern', |
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Und bitte um den heil'gen Geist, |
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Und tu, was dich die Mutter heißt, |
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Und was der Vater haben will, |
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Ganz unverdrossen, freudig, still, |
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Der Mutter, die das Haus bestellt, |
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Dem Vater, der dich nährt und hält, |
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Der Mutter, die die Kirche heißt, |
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Dem Vater, Sohn und heil'gen Geist, |
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Dem ein und andern folge mild, |
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Denn eines ist des andern Bild. |
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Wie Flachs, so den verwirrten Sinn |
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Recht klopfe, breche, hechle, spinn' |
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Zu einem Faden klar und fein, |
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Dann wird's ein Tuch hübsch glatt und rein, |
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Fürs Krippen- oder Wiegenkind |
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So wie der Herr es tauglich findt. |
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Putz' den Salat, belese rein |
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Erbs', Lins', und Reis von Staub und Stein |
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Das bringt's Gewissen noch so weit, |
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Als Putz und als Belesenheit. |
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Das Fleisch wasch', beiz' und mürb es klopf' |
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Und schieb's zum Feuer und deck' den Topf, |
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Dämpf', sied's und brat's, wirf weg den Schaum, |
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Und denk an Zügel und an Zaum |
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Den Tisch deck' immer ganz komplett, |
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Die Nadel an der Serviett' |
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Vergesse nicht, und halt dich nett |
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Von Suppen und von Bratenfett. |
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Denk daß das ein' das andre sei, |
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Und sei nur erst im Kleinen treu, |
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Wenn dir's nicht mehr vor Kleinem graut, |
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Wird dir das Größre auch vertraut. |
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Küß, drück' nicht viel den lieben Mier, |
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Der Mensch ist ein kurioses Tier, |
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Ein Maulekuß auch noch so rein |
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Küßt Übels mehr als Guts hinein. |
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Am Freitag fehl' nicht im Verein, |
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Denk: Jesus litt heut ganz allein, |
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Ich sitz' mit lust'gen Kindern warm |
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Und nähe, daß sich Gott erbarm'! |
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Das Schlachten mut't dir niemand zu, |
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Drum nie den Hahn hilf schlachten du, |
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Der früh die Magd herausgekräht, |
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Wie's in der alten Fabel steht. |
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Laß schlafen jene faule Magd, |
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Nach der Sankt Niklas gar nichts fragt, |
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Steh auf und grüß' den Morgenstern, |
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Sprich: sieh, ich bin die Magd des Herrn! |
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Und sei zur Kirche schnell bereit, |
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Denk nicht, es ist noch lange Zeit, |
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Denn, wenn man erst zusammenläut't, |
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Dann kömmt Gericht und Ewigkeit. |
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Und will der Kopf sich wie ein Pfau |
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Ausspreizen, auf die Füß' nur schau, |
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Und wollen die stolzieren gehn, |
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Dann darfst du auf ein Kreuz nur sehn, |
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Wie da die Schuld, die Lust, der Stolz |
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Gegeißelt an ein schmählich Holz |
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Die Unschuld angenagelt hat, |
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Denk: ich gehör' an seine Statt. |
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So denk und sei die Magd des Herrn, |
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Sankt Niklas hat die Mägdlein gern |
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Er warf dem Vater Geld ins Haus, |
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Der steuerte drei Bräute aus. |
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Näh', koch', back', bet', lieb', hoff', und glaub', |
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Bringt hier und jenseits unter die Haub'! |
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So werde die Emilia |
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Ein Vorbild für Othilia, |
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Und inter spinas Lilia |
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Und alia similia. |
Details zum Gedicht „Am St. Niklastag. 1826“
Clemens Brentano
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1778 - 1842
Romantik
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Am St. Niklastag. 1826“ ist Clemens Brentano. Im Jahr 1778 wurde Brentano in Ehrenbreitstein (Koblenz) geboren. In der Zeit von 1794 bis 1842 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Brentano handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein dauerte die kulturgeschichtliche Epoche der Romantik an. Ihre Auswirkungen waren in der Literatur, der Kunst aber auch der Philosophie und Musik spürbar. Die Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von bedeutenden Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, die Todessehnsucht oder das Nachtmotiv. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Ursprung der Liebe. Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Vertretern der Romantik wieder geschätzt. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Dabei baut sie zwar auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.
Das 508 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 83 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Der Dichter Clemens Brentano ist auch der Autor für Gedichte wie „Als Herr Künzel neulich bat“, „Kennt ihr das Fräulein Dienchen nicht ...“ und „Ihr himmlischen Fernen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Am St. Niklastag. 1826“ weitere 297 Gedichte vor.
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Zum Autor Clemens Brentano sind auf abi-pur.de 297 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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