An die Doris, welcher er seine Liebe bey Gelegenheit eines Traumes entdeckte von Johann Christian Günther
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Auf der blumenvollen Heide, |
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An der schattenreichen Bach |
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Sann ich jezt der Augenweide |
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Des vergangnen Traumes nach, |
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Der mich darum drückt und quält, |
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Weil mir nunmehr wachend fehlt, |
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Was mir deine Lust vermehlt. |
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O was waren das vor Glieder! |
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O welch schöner Selbstbetrug |
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Riß mich vor Entzückung nieder! |
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O da küst ich kaum genug, |
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Bis die Morgenröthe kam |
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Und aus Misgunst oder Scham |
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Bildnüß, Lust und Schlummer nahm. |
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Unaussprechliches Ergözen, |
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Soll ich dich nicht wiedersehn? |
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Nein, nach solchen theuren Schäzen |
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Darf ich wohl nicht wachend flehn. |
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Sezt dein Schatten meiner Ruh, |
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Schönste Doris, schon so zu, |
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Dencke, was dein Antliz thu. |
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Deiner Augen scharfes Blicken |
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Zeigt mir einen hohen Geist, |
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Der zum Herrschen und Entzücken |
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Gleiche Kraft und Anmuth weist; |
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Dieses ward ich mit Gefahr |
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Meiner Freyheit nechst gewahr, |
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Als dein Strahl die Glut gebahr. |
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Doris, halt es nicht vor Scherzen; |
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Ich verachte Spott und Neid, |
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Hätt ich auch noch tausend Herzen, |
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Blieben alle dir geweiht. |
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Trag ich einen Tropfen Blut, |
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Welcher dir kein Opfer thut, |
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So verzehr ihn Gift und Glut. |
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Die Vergnügung wahrer Liebe |
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Ist nicht eben so gemein, |
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Der Gemüther gleiche Triebe |
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Müßen ihre Quellen seyn; |
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Prüfe mich und sey vergnügt, |
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Daß ein Herz, so du besiegt, |
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Auch mit Ehrfurcht vor dir liegt. |
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Von der Wiege bis zur Baare |
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Ist gar oft ein kurzer Schritt. |
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Doris, nimm die besten Jahre |
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Und die Lust der Jugend mit, |
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Eh der Lippen May verblüht |
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Und die Zeit, so plözlich flieht, |
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Farbe, Muth und Lust entzieht. |
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Kommt mein Ziel an Lebensschrancken, |
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Wüntsch ich von der Phantasie, |
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Daß dein Bildnüß in Gedancken |
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Mich der Welt vergnügt entzieh; |
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Dieses wüntsch ich und dabey, |
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Daß der Spruch der Grabschrift sey: |
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Klug, verschwiegen und getreu. |
Details zum Gedicht „An die Doris, welcher er seine Liebe bey Gelegenheit eines Traumes entdeckte“
Johann Christian Günther
8
56
280
1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Johann Christian Günther ist der Autor des Gedichtes „An die Doris, welcher er seine Liebe bey Gelegenheit eines Traumes entdeckte“. Geboren wurde Günther im Jahr 1695 in Striegau. Zwischen den Jahren 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Bei dem Schriftsteller Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Als Barockliteratur wird in der deutschen Literaturgeschichte seit etwa 1800 die literarische Produktion in Europa im Zeitraum zwischen etwa 1600 und 1720 bezeichnet und folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus. Der Begriff „Barock“ stammt aus dem Portugiesischen und bedeutet so viel wie seltsam geformte, schiefrunde Perle. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wurden große Teile Deutschlands zerstört. Die Menschen der damaligen Zeit, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Provinz und Hof geprägt, litten folglich unter den immensen Auswirkungen des Krieges. Unzählige Menschen starben an den Folgen des Krieges und der Pest. Die Literaturepoche des Barocks wurde davon stark beeinflusst. Die Dichter des Barocks thematisierten die Gegensätze in fast allen Lebensbereichen. Das wird auch als Antithetik bezeichnet. Thematisch folgten die Dichter der Antithetik und stellten in ihren Werken Gegensätze in den Vordergrund – etwa Jenseits und Diesseits, Sein und Schein oder Blüte und Verfall. Die Dichter der Renaissance schrieben noch auf Lateinisch, die Autoren des Barock begannen, ihre Werke in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Autoren und Werke sind zahlreich in dieser Zeit. Andreas Gryphius, Martin Opitz oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind typische Vertreter der Zeit des Barocks.
Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 280 Worte. Der Dichter Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Was man von galanten Kindern“, „Ich will lachen, ich will scherzen“ und „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“. Zum Autor des Gedichtes „An die Doris, welcher er seine Liebe bey Gelegenheit eines Traumes entdeckte“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.
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