Will ich dich doch gerne meiden von Johann Christian Günther
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Will ich dich doch gerne meiden, |
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Gieb mir nur noch einen Kuß, |
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Eh ich sonst das Lezte leiden |
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Und den Ring zerbrechen muß. |
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Fühle doch die starcken Triebe |
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Und des Herzens bange Qual! |
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Also bitter schmeckt der Liebe |
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So ein schönes Henckermahl. |
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Las dich etwas Beßers küßen, |
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Alles gönn und wüntsch ich dir; |
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Aber frag auch dein Gewißen, |
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Dieser Zeuge bleibet mir. |
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Lerne doch nur weiter dencken: |
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Dörft es dich auch einmahl reun? |
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Dörft auch mein verstoßnes Kräncken |
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Deines Ehstands Hölle seyn? |
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Sieh, die Tropfen an den Bircken |
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Thun dir selbst ihr Mitleid kund; |
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Weil verliebte Thränen würcken, |
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Weinen sie um unsern Bund. |
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Diese zährenvolle Rinden |
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Rizt die Unschuld und mein Flehn, |
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Denn sie haben dem Verbinden |
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Und der Trennung zugesehn. |
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Dieses rührt die todten Bäume, |
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Dich, mein Kind, ach, rührt es nicht; |
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Aber daß ich mich noch säume, |
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Da dein Scheiden gar nichts spricht, |
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Gönnt mir doch, ihr holden Lippen, |
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Eine kurze gute Nacht, |
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Eh der Traum an solchen Klippen |
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Mein Gemüthe scheitern macht. |
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Gute Nacht, ihr liebsten Armen! |
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Meiner Glieder Müdigkeit |
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Wird nicht mehr in euch erwarmen; |
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Ach, wie quält die alte Zeit! |
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Gute Nacht, ihr schönsten Brüste, |
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Macht nun andre Hände voll; |
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Jezo geh ich in die Wüste, |
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Wo mein Elend schlafen soll. |
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In den Wäldern will ich irren, |
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Vor den Menschen will ich fliehn, |
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Mit verwaisten Tauben girren, |
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Mit verscheuchtem Wilde ziehn, |
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Bis der Gram mein Leben raube, |
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Bis die Kräfte sich verschreyn, |
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Und da soll ein Grab voll Laube |
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Milder als dein Herze seyn. |
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Kan ich dich an Treu beschämen, |
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Will ich noch dein Conterfey |
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In dem Tod ans Herze nehmen, |
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Daß er recht beweglich sey; |
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Sieht es niemand von den Leuten, |
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Sieht es doch der Himmel an, |
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Der dich bey gelegnen Zeiten |
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Wohl damit noch strafen kan. |
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Wirstu einmahl durch die Sträuche |
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Halb verirrt spazieren gehn, |
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Ey, so bleib bey meiner Leiche |
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Nur mit andern Augen stehn; |
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Zeige sie dem neuen Schaze, |
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Der dir das Geleite giebt, |
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Und vermeld ihm auf dem Plaze: |
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Dieser hat mich auch geliebt. |
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Ach, wo bleibt ihr theuren Schwüre? |
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Ach, wo ist dein treuer Sinn, |
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Den ich schmerzlicher verliere, |
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Als ich selbst gebohren bin? |
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Nimm das lezte Sehnsuchtszeichen; |
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Nun, mein Kind, besinne dich! |
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Dieses kan dich nicht erweichen, |
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Nimm es und gedenck an mich. |
Details zum Gedicht „Will ich dich doch gerne meiden“
Johann Christian Günther
9
72
375
1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Will ich dich doch gerne meiden“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Christian Günther. Im Jahr 1695 wurde Günther in Striegau geboren. Zwischen den Jahren 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Der Schriftsteller Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Die europäische Stilepoche des 17. und 18. Jahrhunderts, die wir heute als Barock bezeichnen, leitet sich von dem portugiesischen Wort „barocco“ ab. Das portugiesische Wort stammt ursprünglich aus dem Juwelierhandwerk und heißt auf Deutsch „unregelmäßige, schiefrunde Perle“. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wurden große Teile Deutschlands zerstört. Die Bevölkerung, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Hof und Provinz geprägt, litt folglich unter den katastrophalen Kriegseinwirkungen. Viele Menschen starben an den Folgen des Krieges und der Pest. Die Literaturepoche des Barocks wurde davon stark geprägt. Die Dichter des Barocks betrachteten in ihren Werken die Gegensätze in nahezu allen Lebensbereichen. Dies bezeichnet man auch als Antithetik. Inhaltlich folgten die Dichter der Antithetik und stellten in ihren Werken Gegensätze in den Vordergrund – etwa Jenseits und Diesseits, Sein und Schein oder Verfall und Blüte. In der Barockliteratur wurde das Lateinische von der deutschen Sprache abgelöst. Da während der Literaturepoche des Barocks die äußere Ästhetik und der Wohlklang eines literarischen Werkes eine wichtige Rolle spielten, war die bevorzugte Literaturform das Gedicht. In den Gedichten wurden sehr gerne Metaphern, Symbole und Hyperbolik (Übertreibung) verwendet.
Das Gedicht besteht aus 72 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 375 Worte. Der Dichter Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Was man von galanten Kindern“, „Ich will lachen, ich will scherzen“ und „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“. Zum Autor des Gedichtes „Will ich dich doch gerne meiden“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.
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