Wiegenlied dem Schwarz- und Berensschen Brautpaar von Johann Gottfried Herder

Schlaf Deines Lebens erste Zeit,
O Kleiner, nur in Ruh!
Noch nicht zu Trübsal eingeweiht,
Ließ Dir Dein Gott sie zu.
 
Von Sorgen noch, von Furcht und Reu
Bebt nicht Dein kleines Herz;
Doch wärst Du auch so gänzlich frei
Von uns verborgnem Schmerz?
 
Vielleicht, wenn wir Dich lächeln sehn,
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Da Dich der Schlaf verhüllt,
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Beklemmen Dich geheime Wehn,
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Des künft'gen Schicksals Bild.
 
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Und ach! auch nicht frei von Gefahr,
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Die unsre Hoffnung stört;
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Vielleicht hängt über Dich am Haar
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Ein ungesehnes Schwert.
 
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Doch Der, der Dir den Schlaf befahl,
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Hält's von der Scheitel ab,
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Und seiner Diener starke Zahl
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Verschließet noch Dein Grab.
 
21 
Schlaf ruhig, ohne Wissenschaft!
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Bei uns mag Sorge sein;
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Du sauge schlummernd frischen Saft
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In Deine Nerven ein!
 
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Und werde dadurch groß und blüh,
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Der Eltern süßste Lust!
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Und Gott und Tugend fühle früh
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Die milchgenährte Brust!
 
29 
»Einst sei ein Mann, der seinem Stand
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Mit Treu ergeben war!«
31 
Dies seufzete und überwand
32 
Den Schmerz, die Dich gebar.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Wiegenlied dem Schwarz- und Berensschen Brautpaar“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
161
Entstehungsjahr
1768
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Johann Gottfried Herder, ein bekannter Dichter der deutschen Aufklärung und der Weimarer Klassik, der von 1744 bis 1803 lebte. Das Werk könnte somit in dieser Zeit entstanden sein.

Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass dieses Gedicht in einer gemäßigten und eher besorgten Tonlage geschrieben wurde. Es scheint aber gleichzeitig auch von einer tiefen Liebe und Sorge geprägt zu sein.

Das Gedicht handelt offensichtlich von einem kleinen Kind, wahrscheinlich einem Neugeborenen. Der Dichter oder das lyrische Ich, wendet sich direkt an das Kind und spricht von dessen früher und unbesorgter Lebensphase, in der es von Sorgen und Ängsten noch verschont bleibt. Herder macht deutlich, dass das junge Leben noch nicht mit den Herausforderungen und Schwierigkeiten der Welt konfrontiert wurde. Die anteasende Andeutung eines ‘ungesehenen Schwertes’ könnte als Metapher für die drohenden Gefahren und Schwierigkeiten des Lebens interpretiert werden, die auf das Kind zukommen könnten. Zugleich spricht das lyrische Ich dem Kind jedoch auch Mut zu und steht beschützend an seiner Seite. Ebenso wird der Wunsch geäußert, dass das Kind zu einer guten, tugendhaften und starken Person heranwächst, die ihrer Eltern würdig ist.

Die Form des Gedichts ist durchgängig ein vierzeiliges Stanzen. Jede dieser vierzeiligen Strophen befasst sich mit einem bestimmten Thema und schließt damit ab, bevor die nächste Strophe mit einem neuen Gedanken beginnt. Diese Struktur spiegelt gleichzeitig den Lebenszyklus wider: von der Geburt, über die Kindheit, zur Einführung in das Erwachsensein bis zur vollständigen Reife.

Die Sprache des Gedichts ist typisch für Herder und seine Zeit. Es ist weder zu verspielt und übertrieben, noch zu nüchtern und trocken. Die Wortwahl und die antike Anspielung erinnert wesentlich an das humanistische Bildungsideal der Weimarer Klassik. Herders Sprache ist gewählt, kunstvoll, aber dennoch verständlich und einfühlsam. Dabei verwendet Herder eine präzise, aber dennoch emotionale und bildhafte Sprache, die das Gedicht besonders ausdrucksstark und berührend macht.

Weitere Informationen

Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Wiegenlied dem Schwarz- und Berensschen Brautpaar“. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Im Jahr 1768 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet wird. Die Epoche ordnet sich nach der Literaturepoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Rebellieren oder Auflehnen gegen die Aufklärung zusammenfassen. Das literarische und philosophische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar) ist einer der populärsten Dichter der Weimarer Klassik. Im Jahr 1786 unternahm Goethe eine Italienreise, diese wird heute als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Das Ende der Epoche ist im Jahr 1832 auszumachen. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen sind in der Literatur gebräuchlich. Toleranz, Menschlichkeit und Übereinstimmung von Natur und Mensch, von Individuum und Gesellschaft sind die Ideale der Klassik. Im Zentrum des klassischen Kunstkonzepts steht das Streben nach harmonischem Ausgleich der Gegensätze. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders beliebt. Darüber hinaus verwendeten die Autoren eine gehobene, pathetische Sprache. Goethe, Schiller, Herder und Wieland bildeten das „Viergestirn“ der Weimarer Klassik. Es gab natürlich auch noch andere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das vorliegende Gedicht umfasst 161 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „Das Glück“, „Das Kind der Sorge“ und „Das Orakel“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Wiegenlied dem Schwarz- und Berensschen Brautpaar“ weitere 413 Gedichte vor.

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