Wünsche um einen Freund von Johann Gottfried Herder

Um mich ist Wüst' - und wo mein Freund?
Herrscht meine Kainsstirn ihn weit zurück?
Bin ich für ihn blos Mannthier noch?
Wie? oder ist kein Freund?
 
Sprich, Freundin Muse! - Doch bin ich
Mir nicht selbst Muse? - Bin ich auch mein Freund?
Sprich schwarze Funken, Seelenbrand!
Nie, nie bin ich mein Freund!
 
Bleib' ich mir treu? - Nein! Schwur wird Scherz!
10 
Mein Bollwerk spreng' ich selbst und küss' den Feind;
11 
Auch meine Thräne rührt mich nicht!
12 
Nicht Freund! ich bin mein Feind!
 
13 
Dort schwebt mein Geist, von mir ermord't
14 
Vertriebne Zeit - hier modert Jugendblut.
15 
Noch modr' ich krächzend selbst im Staub
16 
Und lieg' und hab' mich nicht!
 
17 
Gieb, Pluto, einen Schatten mir,
18 
Der, blos für mich geborn im todten Bild,
19 
Mich weck' und lehr' und für den Freund
20 
Den Menschen mich zubild',
 
21 
Der jetzt vielleicht in Felsennacht
22 
Mit Blut und Armuth kämpft, der Pallas' Pan
23 
zer küßt, mich männlich einst umarmt
24 
Und vor mir, Pallas nach,
 
25 
Den kalten Hämus bald steil auf,
26 
Bald Erymanthus' schwarzen Wald durchjagt
27 
Und hirschgekrönt, wie Hercul, rauh
28 
Zum Himmel dringt und herrscht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Wünsche um einen Freund“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
180
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wünsche um einen Freund“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, der im Zeitraum des 18. Jahrhunderts lebte. Er zählt zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Aufklärung, hat aber auch maßgeblichen Einfluss auf die literarische Strömung der Weimarer Klassik sowie der Romantik.

Beim ersten Eindruck wirkt das Gedicht melancholisch und introspektiv. Es scheint um Gefühle der Isolation, Verlust und Selbstbezüglichkeit zu gehen.

Das lyrische Ich des Gedichts ist in einer geistigen Einöde, es scheint sich einsam und verlassen zu fühlen. Es fragt sich, wo sein Freund ist, und ob seine eigene negative Energie ihn vielleicht vertrieben hat („Herrscht meine Kainsstirn ihn weit zurück?“). Die Heranziehung der biblischen Figur Kain deutet auf Schuldgefühle hin, was nahelegt, dass das lyrische Ich sich selbst als Grund für die Isolation begreift. Es beschäftigt sich mit der eigenen Identität und entwickelt dabei Zweifel daran, sein bester Freund zu sein. Es stellt fest, dass es sich selbst gegenüber feindselig ist, wobei es sich nicht mal selbst bewegen oder berühren kann, was eine innere Zerrissenheit ausdrückt. Das lyrische Ich wünscht sich eine Art Wiedergeburt und Führung, um die Menschlichkeit und Freundschaft wiederherzustellen, dabei richtet es sich an die Unterwelt- und Totengottheit Pluto.

Die Form des Gedichts ist eine siebenstrophige Struktur, jede Strophe besteht aus vier Versen. Die Worte sind durchgängig klar und die Syntax nicht besonders komplex. Das Gedicht hat keine feste Reimstruktur, was eine Unordnung oder Zerrissenheit reflektiert.

Die Sprache des Gedichts ist emotional und expressiv. Es ist reich an metaphorischen Bildern, die das innere Leiden des lyrischen Ichs unterstreichen. Herder verwendet dabei klassische Motive und Verweise, wie die Anspielung auf die mythologischen Figuren Pluto, Pallas und Hercul, um die emotionale Intensität zu steigern und die innere Schlacht des lyrischen Ichs zu illustrieren. Insgesamt spiegelt das Gedicht einen tiefen inneren Konflikt und die Suche nach Selbstverständnis und Akzeptanz wider.

Weitere Informationen

Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Wünsche um einen Freund“. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Zwischen den Jahren 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet wird. Die Literaturepoche ordnet sich nach der Epoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Rebellieren oder Auflehnen gegen die Aufklärung zusammenfassen. Das literarische und philosophische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Schriftsteller im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die traditionellen Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Die Weimarer Klassik ist eine Literaturepoche, die insbesondere von den Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller geprägt wurde. Die Italienreise Goethes im Jahr 1786 markiert den Anfang der Epoche. Das Todesjahr von Goethe, 1832, markiert das Ende der Weimarer Klassik. In der Literaturepoche sind Einflüsse der Französischen Revolution festzustellen. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Vollkommenheit, Harmonie, Humanität und der Übereinstimmung von Form und Inhalt gesucht. In der Lyrik haben die Autoren auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Beispielsweise war so die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders geschätzt. Des Weiteren verwendeten die Dichter jener Zeit eine gehobene, pathetische Sprache. Die populärsten Schriftsteller der Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Weitere bekannte Schriftsteller der Klassik sind Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Die beiden letztgenannten arbeiteten aber jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das vorliegende Gedicht umfasst 180 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Die Gedichte „Bilder und Träume“, „Das Flüchtigste“ und „Das Gesetz der Welten im Menschen“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „Wünsche um einen Freund“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Gottfried Herder

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Gottfried Herder und seinem Gedicht „Wünsche um einen Freund“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Gottfried Herder sind auf abi-pur.de 413 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.