Zum Schutz des weiblichen Geschlechts von Johann Gottfried Herder
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O Männer, schmäht sie nicht mit Bosheitsfreuden, |
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Der Weiber arm Geschlecht! |
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Das arme Weib, gemacht zu Leiden, |
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Ist uns zur Lust, zur Hilfe unterthan, |
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Es muß für ihre kleinen Freuden, |
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Fürs Wohl der Welt |
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Geburt und Schwangerschaft und Todesschmerzen leiden. |
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Es reißet uns zur Welt sich von dem Herzen los, |
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Macht uns mit Müh und Thränen groß, |
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Zieht uns zu Menschen auf von Thieren, |
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Muß Männersorg' in ihrem Schooße führen. |
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O Männer, schmäht sie nicht mit Bosheitsfreuden! |
Details zum Gedicht „Zum Schutz des weiblichen Geschlechts“
Johann Gottfried Herder
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77
1744 - 1803
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Zum Schutz des weiblichen Geschlechts“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, einem bedeutenden Vertreter der Weimarer Klassik, welche ihren Höhepunkt zwischen 1786 und 1805 fand. Herder war ein wichtiger Repräsentant der Aufklärung, eine Zeitperiode, in der der Mensch sein Denken und Handeln selbstbestimmt und rationell gestalten soll.
Bereits beim ersten Lesen fällt der auffällige Appellcharakter des Gedichts auf. Herder spricht die Männer direkt an und kritisiert deren Umgang mit dem weiblichen Geschlecht, was eine deutliche feministische Geste darstellt.
Inhaltlich fordert Herder in seinem Gedicht mehr Respekt und Verständnis für Frauen, ihre Rolle und ihre Leistungen. Er spricht von den körperlichen und emotionalen Leiden, die Frauen aufgrund ihrer Rolle im gesellschaftlichen Leben erfahren, beispielsweise durch Geburt, Schwangerschaft oder Todesschmerzen. Sie sind für die Wohlfahrt der Welt und das Aufziehen der Kinder verantwortlich, was ihre Bedeutung und ihren Beitrag für die Gesellschaft unterstreicht.
Zugleich legt Herder das lyrische Ich nahe, das nicht so sehr die konkreten individuellen Gedanken einer bestimmten Person präsentiert, sondern eher eine allgemeingültige Wahrheit ausdrücken möchte: dass Männern ein respektvollerer und zuneigervollerer Umgang mit Frauen obliegen sollte.
Formal fällt auf, dass es sich um ein Versgedicht ohne Reim oder ein festes Metrum handelt. Dies kann als Ausdruck der Thematik und der kritischen Haltung des poetischen Sprechers gesehen werden. Die Sprache ist schlicht, direkt und trotz des historischen Kontexts gut verständlich. Mit der Wiederholung der ersten Verse am Ende des Gedichts wird der Appellcharakter nochmals betont.
Zusammenfassend interpretiert könnte man sagen, dass Herder in seinem Gedicht ein frühes Zeichen für die Gleichberechtigung der Geschlechter setzt. Er fordert mehr Verständnis und Respekt für das Leiden und die Leistungen der Frauen und verurteilt die Geringschätzung und Missachtung durch die Männer.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Zum Schutz des weiblichen Geschlechts“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1760 und 1803. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Der Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit seinen beiden wichtigen Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.
Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei bedeutenden Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit Goethes Tod. Es gibt aber auch Definitionen, die die gemeinsame Schaffenszeit der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik festlegen. Wie der Name bereits verrät, liegen das literarische Zentrum und der Ausgangspunkt der Weimarer Klassik, die auch kurz Klassik genannt wird, in Weimar. Zum Teil wird auch Jena als ein weiteres Zentrum der Literaturepoche angesehen. Die Autoren der Weimarer Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit zu erreichen. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik typisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die bedeutendsten Vertreter der Weimarer Klassik sind: Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried von Herder und Christoph Martin Wieland.
Das vorliegende Gedicht umfasst 77 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 12 Versen. Die Gedichte „An den Schlaf“, „An die Freundschaft“ und „Apollo“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „Zum Schutz des weiblichen Geschlechts“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.
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