Der Rappe des Comturs von Conrad Ferdinand Meyer

Herr Konrad Schmid legt’ um die Wehr,
Man führt’ ihm seinen Rappen her:
„Den Zwingli laß ich nicht im Stich,
Und kommt ihr mit, so freut es mich.“
Da griffen mit dem Herren wert
Von Küsnach dreißig frisch zum Schwert:
Mit Mann und Roß im Morgenrot
Stieß ab das kriegbeladne Boot.
Träg schlich der Tag; dann durch die Nacht
10 
Flog Kunde von verlorner Schlacht.
11 
Von drüben rief der Horgnerthurm,
12 
Bald stöhnten alle Glocken Sturm,
13 
Und was geblieben war zu Haus,
14 
Das stand am See, lugt’ angstvoll aus.
15 
Am Himmel kämpfte lichter Schein
16 
Mit schwarz geballten Wolkenreihn.
17 
„Hilf Gott, ein Nachtgespenst!“ Sie sahn
18 
Es drohend durch die Fluten nahn.
19 
Wo breit des Mondes Silber floß,
20 
Da rang und rauscht’ ein mächtig Roß
21 
Und wilder schnaubt’s und näher fuhr’s …
22 
„Hilf Gott, der Rappe des Comturs!“
23 
Nun trat das Schlachtroß festen Grund,
24 
Die bleiche Menge stand im Rund.
25 
Zur Erde starrt’ sein Augenstern,
26 
Als sucht’ es dort den todten Herrn …
27 
Ein Knabe hub dem edeln Thier
28 
Die Mähne lind: „Du blutest hier!“
29 
Die Wunde badete die Flut,
30 
Jetzt überquillt sie neu von Blut,
31 
Und jeder Tropfen schwer und rot
32 
Verkündet eines Mannes Tod.
33 
Die Comturei mit Thurm und Thor
34 
Ragt weiß im Mondenglanz empor.
35 
Heim schritt der Rapp das Dorf entlang,
36 
Sein Huf wie über Grüften klang,
37 
Und Alter, Wittwe, Kind und Maid
38 
Zog schluchzend nach wie Grabgeleit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Der Rappe des Comturs“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
38
Anzahl Wörter
227
Entstehungsjahr
1882
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Rappe des Comturs“ stammt von dem Schweizer Schriftsteller Conrad Ferdinand Meyer, der im 19. Jahrhundert lebte und arbeitete. Dieses Zeitabschnitt ist bekannt als das Zeitalter der Hochromantik und spiegelt sich in Meyers Dramatik und Emotionalität wider.

Das Gedicht erzählt die dramatische Geschichte einer verlorenen Schlacht. Im Mittelpunkt des Gedichts steht der Rappe des Comturs, ein schwarzes Schlachtross, das nach der Schlacht ohne seinen Reiter zurückkehrt. Das Pferd ist sowohl Zeuge als auch auf eine gewisse Weise Opfer des Kampfes, was durch die Beschreibung seiner Wunde verdeutlicht wird. Der tragische Tod des Reiters wird erst indirekt durch die blutende Wunde des Pferdes und sein zielloses Umherstreifen offensichtlich. Das dörfliche Szenario mit Anspielungen auf kampflastige Auseinandersetzungen wie man sie aus dem Mittelalter kennt, erzeugt eine trübe und bedrückende Stimmung.

Im Inhalt greift Meyer außerdem religiöse Motive auf, die wahrscheinlich den Glauben und die Hoffnung des lyrischen Ichs darstellen sollen. Zugleich wirkt das Gedicht durch seine düstere Atmosphäre und die wiederholte Ausrufung „Hilf Gott“ auch kritisch gegenüber dem Krieg und seinen Folgen.

In Bezug auf die Form besteht das Gedicht aus 38 Versen in einer einzigen Strophe. Die Verse folgen keinem strikten Reimschema, was die gattungstypische Lockerheit der Ballade unterstreicht. Die Sprache ist bilderreich und symbolträchtig. Das Gedicht verwendet zahlreiche Metaphern und bildhaften Vergleiche, die dazu dienen, die Erzählung lebendiger und anschaulicher zu gestalten. Darüber hinaus nutzt Meyer eine reiche Zeichensprache, um die Atmosphäre zu vertiefen und symbolhafte Bedeutungen zu transportieren.

Insgesamt erzählt „Der Rappe des Comturs“ eine tragische und zugleich kritische Geschichte, welche die verheerenden Folgen von Krieg und Gewalt aufzeigt. Mit seiner starken bildlichen Sprache und dramatischen Erzählweise verdeutlicht Meyer sowohl das menschliche Leid als auch die Resilienz inmitten des Chaos.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Rappe des Comturs“ ist Conrad Ferdinand Meyer. Meyer wurde im Jahr 1825 in Zürich geboren. 1882 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Meyer handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 38 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 227 Worte. Conrad Ferdinand Meyer ist auch der Autor für Gedichte wie „Fülle“, „Gespenster“ und „Hirtenfeuer“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Rappe des Comturs“ weitere 80 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Conrad Ferdinand Meyer

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Conrad Ferdinand Meyer und seinem Gedicht „Der Rappe des Comturs“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Conrad Ferdinand Meyer (Infos zum Autor)

Zum Autor Conrad Ferdinand Meyer sind auf abi-pur.de 80 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.