Viel Zeitgenossen treibt die Welt von Wilhelm Jensen

Viele Zeitgenossen treibt die Welt
Mit dir empor auf dem großen Feld.
 
Es schwillt aufs neue stets ihr Saft
Und setzt sich um in lebendige Kraft;
 
In Ringen und Haschen mit Haupt und Hand,
In Lieben und Hassen, in Herz und Verstand.
 
Es treibt und drängt sich ab und zu,
Und Teil am Wege nimmst auch du;
 
Tust mit, was jeder um dich tut,
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Verlangst dein Recht, erwirbst dein Gut.
 
11 
Es kennen dich viele von Haar und Gesicht,
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Von Wuchs und Stimme, Beruf und Pflicht.
 
13 
Du wirst geachtet, wirst geehrt,
14 
Es halten dich manche besonders wert.
 
15 
Doch selbst in der nächsten Freunde Verein
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Im Innersten bist du allein.
 
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Du teilst mit ihnen Leid und Lust,
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Doch nicht das Eigenste deiner Brust.
 
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Dein letztes, dein eigenstes Angesicht,
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Dein heimliches Selbst, sie kennen es nicht.
 
21 
Vielleicht erschräken sie, es zu sehn,
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Gewißlich würden sie's nicht verstehn.
 
23 
Du bist ein Traum am lichten Tag,
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Den keiner mit dir zu fühlen vermag.
 
25 
Im vollsten Sonnenglanze fällt
26 
Dein Schatten nur ins Aug' der Welt.
 
27 
Und erst da drunten im Schattenreich,
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Da bist du allen für immer gleich.
 
29 
Und was geheim gewesen du,
30 
Die Erde deckt's verschwiegen zu.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Viel Zeitgenossen treibt die Welt“

Anzahl Strophen
15
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
192
Entstehungsjahr
1837 - 1911
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Viel Zeitgenossen treibt die Welt“ wurde von Wilhelm Jensen verfasst. Jensen war ein deutscher Schriftsteller, der im Zeitraum von 1837 bis 1911 lebte. Sein Werk lässt sich damit in das 19. und frühe 20. Jahrhundert einordnen, eine Zeit, die durch eine Vielzahl gesellschaftlicher und kultureller Umbrüche geprägt war.

Schon auf den ersten Blick fällt die melancholische und reflexive Stimmung des Gedichts auf. Jensen setzt sich hier mit Themen wie Individualität, Anonymität und Vergänglichkeit auseinander.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht darum, dass das lyrische Ich seine Existenz und Rolle innerhalb der Gesellschaft reflektiert. Es startet mit einer Betrachtung der Welt im Allgemeinen und der Mitmenschen, die sie bevölkern. Das lyrische Ich beschreibt, wie es Teil dieser aktiven, lebendigen Welt ist und sich in ihr bewegt und agiert. Es spricht auch an, dass es von anderen wahrgenommen und geschätzt wird. Trotz dieser Anerkennung und Integration in die Gemeinschaft, fühlt sich das lyrische Ich einsam und unverstanden. Es hält sein innerstes Selbst, seine tiefsten Gedanken und Gefühle, verborgen. Das Gedicht endet mit einer Reflexion über Tod und Vergänglichkeit.

Formal ist das Gedicht in 15 gleich aufgebaute zwei-zeilige Strophen gegliedert und weist eine klare und einfache Sprache auf. Die Botschaft des Gedichts wird durch diese klare Struktur und Sprache sehr direkt und eindringlich vermittelt.

Die repetitive Struktur vermittelt den Eindruck des immerwährenden Flusses des Lebens, während das lyrische Ich sich selbst als stehendes Individuum darstellt, das bemüht ist, seine Rolle in dieser sich ständig verändernden Welt zu finden. Der ausdrucksstarke und teilweise nachdenklich schweren Inhalt des Gedichts wird durch die einfache Form und Sprache zusätzlich unterstrichen und hervorgehoben. Indem das lyrische Ich seine tieferen Gefühle und Gedanken als unverständlich und vielleicht sogar erschreckend für andere darstellt, lenkt es den Blick auf die menschliche Sehnsucht nach Verständnis und Anerkennung, die oft unerfüllt bleibt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Viel Zeitgenossen treibt die Welt“ des Autors Wilhelm Jensen. Jensen wurde im Jahr 1837 in Heiligenhafen (Holstein) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1853 bis 1911 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 192 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 15 Strophen. Die Gedichte „Lied“, „Abschied“ und „Lichter und Schatten“ sind weitere Werke des Autors Wilhelm Jensen. Zum Autor des Gedichtes „Viel Zeitgenossen treibt die Welt“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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