Katechisation von Gerhard Amyntor

?Gibts' Engel, Vater?" spricht der Knabe;
Der Alte lächelt: ?Ja mein Kind!
Die Engel sind die Boten Gottes,
Die jederzeit gewärtig sind,
Zum Menschen erdwärts sich zu schwingen
Und Himmelskunde ihm zu bringen."
 
Der Knabe sinnt, dann spricht er stockend:
?Der liebe Gott, der überall
Zugegen ist, wie du mich lehrtest,
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Braucht Boten doch auf keinen Fall;
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Er kann sich selbst ja offenbaren
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So heut' wie vor viel tausend Jahren."
 
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?Gewiß, mein Kind; d'rum sind die Boten,
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die uns der Herr zuzeiten schickt,
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Die wunderbaren Urgedanken,
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Vor deren Tiefe man erschrickt;
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Was aus dem Herzen quillt zum Munde,
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Das ist die wahre Himmelskunde."
 
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Und wieder sinnt der kluge Knabe,
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Dann spricht er, und sein Auge strahlt:
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?Jetzt weiß ich auch, warum der Maler
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Den Engeln immer Flügel malt:
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Es fliegt ins Weite der Gedanke
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Ihn fesselt keine ird'sche Schranke."
 
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Der Alte legt bewegt die Hände
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Auf seines Knaben lockig Haupt:
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?Gott schütze dich, daß nie ein Zweifel
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Dir dieses Glaubens Segen raubt!
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Ja Kind! des Höchsten heil'ge Engel
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Das sind Gedanken ohne Mängel.
 
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Lebend'ge, ewige Gedanken!
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Die sendet Gott in uns're Nacht;
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Es glänzt von ihren hehren Schwingen
34 
Des Morgenrotes gold'ne Pracht.
35 
In Demut soll die Kniee beugen,
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Wem sie sich huldreich je bezeugen.
 
37 
Und tritt auch dir solch Gottesbote
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Dereinst in deines Lebens kreis,
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Dann sprich in Andacht: ?Vater rede!
40 
Es hört dein Knecht!" Und was er leis
41 
Dir flüstert, laß es laut erklingen
42 
Und schallend durch die Lande dringen."
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Katechisation“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
241
Entstehungsjahr
1831 - 1910
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht ist von Gerhard Amyntor, der von 1831 bis 1910 gelebt hat. Dies lässt uns das Werk in die Epoche des Realismus einordnen.

Auf den ersten Blick scheint es sich um eine Unterhaltung zwischen Vater und Sohn zu handeln, die thematisch um Engel und Gott kreist. Der Ton ist ruhig und nachdenklich, was einen introspektiven Charakter erzeugt.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um die Frage nach Engeln und ihre Rolle als Boten Gottes. Der Vater erklärt seinem Sohn, dass Engel die Boten Gottes sind, die jederzeit bereit sind zum Menschen zu kommen und „Himmelskunde“ zu vermitteln. Der kluge Sohn hinterfragt, warum Gott, der allgegenwärtig ist, überhaupt Boten braucht. Er führt weiter aus, dass Gott sich ja selbst offenbaren kann. Der Vater antwortet, dass diese Boten Gedanken repräsentieren, die ohne Mängel und grenzenlos sind, ähnlich wie der Flug eines Engels. Der Vater schließt mit der Bitte, dass sein Sohn niemals den Glauben an diese „Engel“ - die perfekten Gedanken - verliert.

Die Form des Gedichts folgt einem klaren Muster. Jede der sieben Strophen besteht aus sechs Versen, die alle gereimt sind, wodurch eine feste Struktur und ein fließender Rhythmus erzeugt wird.

Die Sprache ist einfach und verständlich gehalten, mit einer Mischung aus Frage-Antwort-Struktur und narrativen Elementen, wie dem dialogischen Austausch zwischen Vater und Sohn. Es wird eine weise, lehrhafte Atmosphäre geschaffen, die sowohl den fragenden Jungen, als auch den antwortenden Vater charakterisiert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht „Katechisation“ von Gerhard Amyntor eine Reflektion über den Glauben, die Rolle von Gott und Engeln und die Macht der Gedanken ist, eingebettet in eine einfühlsame Vater-Sohn-Interaktion. Es ist eine Reflexion über die erzieherische und geistige Führung innerhalb einer Generation.

Weitere Informationen

Gerhard Amyntor ist der Autor des Gedichtes „Katechisation“. Amyntor wurde im Jahr 1831 in Liegnitz geboren. In der Zeit von 1847 bis 1910 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus, Moderne oder Expressionismus zuordnen. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 241 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Gerhard Amyntor ist auch der Autor für Gedichte wie „Bedrängnis“ und „Der Rhein“. Zum Autor des Gedichtes „Katechisation“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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