Nach langen Jahren von Emanuel Geibel

Ach, noch einmal diese Töne,
Die mir Flügel in das schöne
Zauberland der Jugend sind!
Laß sie schwellen voll und leise!
Diese Weise
Sang einst deine Mutter, Kind.
 
Am Klavier, dort in der Nische
Saß sie, wenn des Abends Frische
Klar ins offne Fenster drang;
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Golden wob's um ihre Locken,
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Und wie Glocken
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Schwebte wogend ihr Gesang.
 
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Ach, das war vor langen Jahren,
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Eh' ich in die Welt gefahren;
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Hoch im Sturm noch trieb mein Herz;
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Aber stets bei ihrem Liebe
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Kam ein Friede
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In des Jünglings Lust und Schmerz.
 
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Grau jetzt mit gedämpften Feuer
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Kehr' ich wieder; die mir teuer
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Gingen alle fast zur Ruh;
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Sie auch schläft, die süße Rose,
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Unterm Moose,
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Doch ihr Ebenbild bist du.
 
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Singe Kind, und in die blauen
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Augen laß mich tief dir schauen!
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Jugendheimwärts träumt mein Sinn,
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Und von längst entschwundnen Lenzen
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Zieht ein Glänzen
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Durch die müde Brust dahin.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Nach langen Jahren“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
148
Entstehungsjahr
1815 - 1884
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nach langen Jahren“ wurde von Emanuel Geibel geschrieben, einem deutschen Dichter der Spätromantik, geboren 1815 und verstorben 1884. Ein erster grober zeitlicher Kontext kann daher auf das 19. Jahrhundert gelegt werden, als Geibel lebte und schrieb.

Auf den ersten Blick entsteht ein Eindruck von Melancholie und Sehnsucht im Text, welche durch die wiederholte Anspielung auf die Vergangenheit, die Jugend und das Altern hervorgerufen wird.

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um das lyrische Ich, das in nostalgischer Weise an die Jugend und die Musik seiner Mutter denkt. Diese wird als strahlende, kreative und beruhigende Figur präsentiert, deren Lied ihm Flügel verlieh und ihm Frieden brachte. Jetzt, älter und mit gedämpftem Feuer, kehrt das lyrische Ich nach Hause zurück, in eine Welt, in der die meisten lieben Menschen bereits gestorben sind – auch die Mutter, die süße Rose, schlief ein. Doch das lyrische Ich sieht in dem Kind, vermutlich einer Enkelin, das Ebenbild der Mutter und findet Trost im Zuhören dessen Gesang.

Die Form des Gedichts ist gekennzeichnet durch fünf Strophen zu je sechs Versen. Jede Strophe folgt einem einheitlichen Reimschema, welches streng zwischen den geraden und ungeraden Versen wechselt. Die effektive Anwendung von Reimen und Metrik sorgt für einen rhythmischen Fluss, der die nostalgische und melancholische Stimmung des Gedichts untermalt.

Die Sprache des Gedichts ist typisch für die Spätromantik, charakterisiert durch überschwängliche Emotionalität, eine starke Naturbindung und die Verklärung der Vergangenheit. Es wird eine malerische, fast märchenhafte Atmosphäre erzeugt, durch die beschreibende, bildhafte Sprache und den Einsatz von Personifikationen und Metaphern, wie zum Beispiel dem „Zauberland der Jugend“ und dem Vergleich der Mutter mit einer „süßen Rose“.

Insgesamt zeichnet das Gedicht ein Bild von nostalgischer Sehnsucht, tiefer Anerkennung und melancholischer Trauer, eingefangen in der romantisch-lyrischen Sprache und der strengen Form des Textes.

Weitere Informationen

Emanuel Geibel ist der Autor des Gedichtes „Nach langen Jahren“. Der Autor Emanuel Geibel wurde 1815 in Lübeck geboren. In der Zeit von 1831 bis 1884 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus oder Naturalismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 148 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Der Dichter Emanuel Geibel ist auch der Autor für Gedichte wie „Mittagszauber“, „Hoffnung“ und „Entschwunden“. Zum Autor des Gedichtes „Nach langen Jahren“ haben wir auf abi-pur.de weitere 67 Gedichte veröffentlicht.

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