Naturszene von Franz Grillparzer

Das Wasser rinnt vom Felsgestein
Und furcht die moos'ge Bank,
Die Gräser, hellgrün, schmal und klein,
Die stehn umher und saugen's ein,
Gesättigt ohne Dank.
Und an die Blume unterm Grün,
Wie Bürgerstöchter stolz,
In blau und rot und goldner Tracht,
Hat sich der Schmetterling gemacht;
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Der saugt und küßt und schaukelt sich,
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Und fliegt zuletzt davon,
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So achtlos, daß am nächsten Tag
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Er kaum noch mehr erkennen mag,
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Wo er genossen schon.
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Und drüben rauscht der Baum, als ob
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Nichts unter ihm geschäh';
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Nach rückwärts strebt der Fels empor,
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Schaut grad aus in die Höh'.
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Die Wolken aber allzuhöchst
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Ziehn hin mit Sturmsgewalt;
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Sie weilen nicht, sie säumen nicht,
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Rasch wechselnd die Gestalt.
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Und durch das All von Eigensucht
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Geh' ich mit finstrer Brust;
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Vordem genoss'ner Treu' und Lieb
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Halb wie im Traum bewußt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Naturszene“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
135
Entstehungsjahr
1791 - 1872
Epoche
Biedermeier,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Naturszene“ stammt von dem österreichischen Schriftsteller Franz Grillparzer, der von 1791 bis 1872 lebte. Seine Werke sind überwiegend der Biedermeier-Zeit und dem Realismus zuzuordnen, sie sind geprägt von seinem Bestreben, gesellschaftliche und persönliche Themen zu verbinden.

Auf den ersten Eindruck zeichnet das Gedicht ein lebendiges Bild von einer Naturkulisse mit Wasser, Gräsern, Blumen, einem Schmetterling, einem Baum und Wolken. Die ruhige Beschreibung der Natur erzeugt eine Atmosphäre von Gelassenheit und Harmonie.

Das Gedicht beginnt mit einer Darstellung von Wasser, das vom Fels fließt und die moosbedeckte Uferböschung erodiert. Die Gräser saugen dieses Wasser auf, sie nehmen diese Gabe der Natur ohne Dank und ohne Bewusstsein auf. Hier zeigt Grillparzer eine gewisse Neigung zur Romantik, indem er der Natur eine Seele und Emotionen zuschreibt.

In den nächsten Versen spielt der Schmetterling eine zentrale Rolle – er nährt sich von den Blumen, hat jedoch kein Bewusstsein für seine Umgebung und vergisst schnell, wo er sich aufgehalten hat. Dann wird ein Baum beschrieben, der stoisch und ungerührt vom Geschehen unter ihm dasteht, während der Felsen nach oben strebt und gerade in die Höhe blickt.

Die Wolken ziehen eilend und stürmisch über die Szene hinweg, die Gestalt ständig wechselnd. Zum Ende des Gedichts tritt das lyrische Ich in den Vordergrund, das sich durch diese Welt bewegt, in der jedes Element von Eigennutz geprägt scheint. Es reflektiert seine vergangenen Freuden und Erinnerungen an Liebe und Treue, die ihm jedoch wie in einem Traum erscheinen.

Thematisch beschäftigt sich Grillparzer hier mit der Vergänglichkeit und Selbstbezogenheit in der Natur und der Welt. Die Beobachtungen münden in eine Reflektion über das Leben des lyrischen Ichs selbst und seine vergangenen Erfahrungen.

In Bezug auf die Form ist das Gedicht in freien Versen verfasst, ohne ein festes Metrum oder Endreime. Die Sprache ist klar und bildhaft, die Wortwahl verdeutlicht die Schönheit und gleichzeitig die Gleichgültigkeit der Natur. Mit Hilfe von Metaphern und Personifikationen gelingt es Grillparzer, die Natur Szene zum Leben zu erwecken und facettenreich darzustellen.

Insgesamt handelt es sich bei Grillparzers „Naturszene“ um ein nachdenkliches Gedicht mitten aus der Natur, das auf eine einfühlsame, doch gleichzeitig nüchterne Weise unser Verhältnis zur Natur und zum Leben reflektiert. Es lädt uns dazu ein, über Vergänglichkeit, Wertschätzung und das flüchtige, oft selbstbezogene Streben im Leben nachzudenken.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Naturszene“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Franz Grillparzer. Grillparzer wurde im Jahr 1791 in Wien geboren. Zwischen den Jahren 1807 und 1872 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Biedermeier oder Realismus zugeordnet werden. Bei Grillparzer handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 135 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 26 Versen. Weitere Werke des Dichters Franz Grillparzer sind „Am Hügel“, „Am Morgen nach einem Sturm“ und „An einen Freund“. Zum Autor des Gedichtes „Naturszene“ haben wir auf abi-pur.de weitere 300 Gedichte veröffentlicht.

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