Kafka, Franz - Das Urteil

Schlagwörter:
Biographie, Franz Kafka, Novelle, Inhaltsangabe, Charakteristik, Georg Bendemann, Vater, Petersburger Freund, Aufbau und Erzählweise, Bezug zu Kafkas Leben, Sprache, Stil, Referat, Hausaufgabe, Kafka, Franz - Das Urteil
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Referat

Das Urteil - Franz Kafka

Das Urteil (Untertitel: Eine Geschichte für Felice B.) ist eine im Jahre 1912 entstandene und im Folgejahr veröffentlichte Novelle von Franz Kafka. Eine Besonderheit dieser Novelle ist, dass das Werk in einer Nacht nämlich vom 22. auf den 23. September 1912 entstanden ist.

Die Erzählung handelt von einem Vater-Sohn-Konflikt. Georg Bendemann, Sohn eines gutsituierten Kaufmanns, verlobt und kurz vor der Heirat stehend, korrespondiert brieflich mit seinem - aus seiner Sicht - glücklosen Freund in Petersburg. Um diesen zu schonen, verschweigt Georg in seinen Briefen viel von seinem eigenen erfolgreichen Leben. Doch nach langem Überlegen und eifrigem Zureden von Seiten seiner zukünftigen Frau entschließt er sich dennoch, ihm von seiner bevorstehenden Hochzeit zu erzählen. Als Georg mit dem Brief zu seinem Vater geht, kommt es zu einem Streit zwischen beiden. Während des Disputs erfährt der Sohn, dass sein Vater angeblich schon lange mit dem Petersburger Freund in Verbindung stehe und diesen längst über alles unterrichtet habe. Der Vater wirft Georg vor, die Leitung des Geschäftes an sich gerissen und eine aus seiner Sicht nicht ehrenhafte Verlobte gewählt zu haben. Er beendet die Auseinandersetzung mit den Worten: „Ich verurteile dich jetzt zum Tode des Ertrinkens!“ Daraufhin läuft der Sohn aus dem Haus, stürzt zum Fluss, schwingt sich über das Geländer, „rief leise: ‚Aber liebe Eltern, ich habe euch doch immer geliebt‘, und ließ sich hinabfallen.“

Kurzbiographie:

  • wurde am 3.7.1883 in Prag geboren
  • Kafka hatte 3 Schwestern, seine Brüder starben als Kleinkinder
  • die meiste Zeit seines kurzen Lebens ist Kafka in Prag
  • nach Studienabschluss führt er ein trostloses Leben bei seinen Eltern, er ist Angestellter und Junggeselle
  • arbeitet bei der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt
  • versteht sich selbst als Schriftsteller → kann sich beim Schreiben ausleben
  • am 3.6.1924 stirbt er und wird in Prag begraben

Zum Werk "Das Urteil":

  • Das Werk "Das Urteil" nimmt eine Sonderstellung in den Werken von Kafka ein
    • es entstand in einer Nacht (22./23. September 1912) (→ dies hat er immer wieder versucht anzustreben → wirkliche Literatur könne nur auf diesem Wege entstehen)
    • zum andern steht das Werk am Anfang einer ersten produktiven Phase, die bis zum Jahr 1913 andauerte (arbeitete viel intensiver)
    • erster abgeschlossener Text mit Kafkas „reifem“ Stil (schlichte Sprache, Details funktional aufeinander Bezogen, die für Kafka typische Erzählstrategie: den Leser in die Selbsttäuschungen des Protagonisten hineinzuziehen)
  • bei dem Werk handelt es sich um einen literarischen „Drehbruch“ → erkannte Kafka selbst und sein erster Leser und Kritiker
  • erst ab diesem Werk bezeichnete er sich ernsthaft als Schriftsteller
  • durch dieses Werk wurde Franz Kafka schon zu Lebzeiten dem Expressionismus zugezählt
  • Machtkampf zwischen Vätern und Söhnen (ist ein typisch expressionistisches Thema)
  • Die surrealistisch gefärbte „unerhörte Begebenheit“ lässt eine Zuordnung der Geschichte zur Gattung „Novelle“ rechtfertigen. Häufig wird das Werk jedoch auch lediglich als Erzählung oder, wie Kafka im Untertitel, als Geschichte eingeordnet.
  • Das Werk lässt sich in vier Szenen gliedern:
    1. Georg mit Brief am Fenster
    2. Georg geht zum Vater
    3. Disput mit dem Vater
    4. Urteil und Vollstreckung

Inhalt:

  • Georg Bendemann schreibt einen Brief an seinen Jugendfreund in Russland
  • er betreibt ein Geschäft in Petersburg, dass aber schon seit längerem nicht mehr so gut läuft
  • er hat in Russland keinen Kontakt zu Einheimischen und ist noch Junggeselle
  • Georg denkt, dass er auch in der Heimat keinen Erfolg haben wird
  • sein Freund war schon seit über drei Jahren nicht mehr zu Hause gewesen → angeblich aufgrund der politischen Verhältnisse in Russland, so dass er nicht ausreisen darf
  • In den drei Jahren gab es für Georg einige Veränderungen:
    • Tod seiner Mutter (vor zwei Jahren)
    • lebt seit dem mit seinem Vater zusammen
  • er ist sehr fleißig im Geschäft → Geschäft hat sich positiv entwickelt
  • Personal verdoppelt und Umsatz verfünffacht
  • „ein weiterer Fortschritt steht zweifelslos bevor“ denkt Georg
  • sein Freund wollte ihn auch überreden nach Russland zu gehen→ mehr Umsatz bei Geschäften
  • er hat ihm nie wichtiges erzählt, nur Unwichtigkeiten
  • berichtet ihm auch nichts von seiner Verlobung mit Frieda Brandenfeld
  • Georg erzählt seinem Freund auf Wunsch Friedas von der Verlobung
  • er erzählt dann auch seinem Vater vom Brief
  • sein Vater kann sich aber nicht mehr an einen Freund aus Petersburg erinnern
  • Aufgrund des Zustandes seines Vaters geht er nicht weiter darauf ein, sondern möchte, dass er sich mehr schont (er ist unentbehrlich für das Geschäft)
  • sein Vater fragt ihn erneut ob er wirklich einen Freund in Petersburg habe
  • er versucht seinem Vater bei der Erinnerung an den Freund zu helfen und beschreibt dessen Besuche (z.B. dass er ihn nicht leiden konnte aber sich dann doch mit ihm verstanden hat)
  • Vater sagt plötzlich er kenne den Freund in Petersburg sehr wohl
  • sein Vater hat ihn durchschaut, dass er nur „falsche Briefchen“ nach Russland schreibt und sich deswegen auch im Büro währenddessen einsperrt
  • sein Freund weis von allem Bescheid auch von der Verlobung → weis laut Vater sogar alles besser als Georg → deshalb kommt er schon seit so langer Zeit nicht mehr zu Besuch
  • er sagt zu Georg, dass er ein unschuldiges Kind gewesen sei aber noch mehr ein „teuflischer Mensch“
  • der Vater verurteilt seinen Sohn zum Tode durch Ertrinken
  • Er rennt aus dem Haus und springt ins Wasser hinter der Straße, dass durch einen Zaun gesichert ist, den er als guter Turner leicht überqueren konnte
  • Sein Abschiedssatz vorm Springen ins Wasser lautet „Liebe Eltern, ich habe euch doch immer geliebt“

Charakteristiken:

Georg Bendemann:

  • Georg ist ein junger Kaufmann
  • er wohnt mit seinem Vater zusammen und führt mit diesem ein Geschäft (die beiden essen Mittagessen zusammen, abends nach Belieben)
  • verlobt mit Frieda Brandenfeld
  • gewissenhafter junger Mann („Beim Anblick der nicht besonders reinen Wäsche macht er sich Vorwürfe, den Vater vernachlässigt zu haben“)
  • hat vor zwei Jahren seine Mutter verloren → leidet aber nicht offensichtlich unter ihrem Verlust
  • manchmal ist er etwas zu nachdenklich
  • wenn es um seinen Vater geht ist er stur
  • Georg will sich nicht den bürgerlichen Normen und Wertevorstellungen anpassen und ein erfolgreicher Geschäftsmann wie sein Vater werden → wirtschaftlicher Aufstieg spielt für ihn eine untergeordnete Rolle
  • sein Vater hält ihn für dumm egal was er tut

Vater von Georg:

  • wohlhabender und gutsituierter Geschäftsmann
  • nur geschäftlicher Erfolg zählt für ihn → hält Georg für einen Versager
  • für ihn führt Georgs Lebensweise in eine falsche Richtung
  • materieller Besitz nimmt höchster Stelle in seiner Werteskala ein
  • hoffte auf eine kleinbürgerliche Karriere seines Sohnes als Trost im Alter → muss sich aber wegen seiner Faulheit, Dummheit und Verschwendung ärgern
  • zieht sich seit dem Tod seiner Frau immer mehr zurück → sie hat ihm sehr viel bedeutet
  • sein Gedächtnis ist schlechter geworden → ihm entgehen manche Sachen im Geschäft
  • behandelt seinen Sohn wie ein unmündiges Kind → verletzt und verurteilt ihn

Petersburger Freund

  • ist lediglich schemenhaft und tritt nur indirekt und namenlos auf
  • Er wird zunächst von Georg als bedauernswerte Existenz geschildert:
    • Auswanderer nach Russland, schlecht gehende Geschäfte,
    • einsam, eine Krankheit in sich tragend
  • Vater erklärt aber, diesen Mann viel mehr zu schätzen als den eigenen Sohn, ohne Gründe dafür anzugeben
    • es erscheint paradox, dass der Vater diesen freudlosen Junggesellen seinem Sohn so sehr vorzieht
  • Am Anfang ist der Freund derjenige, dem man Wissen nur gefiltert weitergibt und ihn damit zum Unterlegenen macht
  • Durch die heimlichen Briefkontakte zwischen Freund und Vater ist Georg nun in der Situation des Unwissenden und Getäuschten, der Freund aber übersieht alles klar
  • Kafka hat die tatsächliche Existenz des Freundes infrage gestellt und nur als Ausdruck des Gemeinsamen zwischen Vater und Sohn bezeichnet. Gleichzeitig ist aber doch die Bevorzugung des Freundes der riesige Keil, den der Vater schon lange zwischen sich und Georg getrieben hat.
  • Man kann den Freund auch als Alter Ego von Kafka sehen. Der Freund lebt so, wie Kafka propagiert, dass man als Künstler leben muss:
    • einsam, wenig Erwerbsarbeit, keine Ehe.
  • Bezeichnend ist, dass der Freund Georg bewegen wollte, auch nach Russland auszuwandern

Aufbau und Erzählweise:

  • autokratischer Erzähler
  • Ort und Zeit sind nicht näher bestimmt
  • Zeitraum: wenige Stunden
  • geprägt von einer realistisch-grotesken Erzählweise (typisch für Kafka)

Epoche:

  • Expressionismus (Motiv des Vater-Sohn Konflikts)

Themen:

  • gestörtes Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen - äußerlich angepasst durch Verlobung, Beruf und Freundschaften, lebt Georg emotional eher autistisch
  • Isolation und Deformation eines Menschen durch die ihn umgebende Umwelt → Georg beugt sich zwar den persönlichen (erfolgreich im Geschäft des Vaters) und gesellschaftlichen (Verlobung) Zwängen, seine Persönlichkeit verkümmert jedoch, weil er sich nie den eigenen Wünschen stellt (wie der Freund es getan hat)
  • Vergeblichkeit jeder Sinn- und Erkenntnissuche → Georg vergisst seine eigenen Gedanken sofort, nachdem er sie gedacht hat; Kafka selbst bezeichnet die Vorgänge um Georg in Briefen als „sinnlos und unerklärbar“
  • Verzweiflung am fremdbestimmten Leben, die zum Todeswunsch wird → als Georg sich seiner Situation bewusst wird, wählt er den Freitod (die Verurteilung durch den Vater ist vermutlich nur der Anlass)

Hat das Werk einen Bezug zu Kafkas Leben?

  • klares ja
  • Kafka lässt Parallelen aus seinem eigenen Leben einfließen
  • Georg: Wesenszüge und Selbstzweifel erinnern an Kafka selbst
  • Vater: mürrisch, verbittert → erinnert an seinen Vater Hermann
  • Georg und sein Vater haben sich distanziert → einzige Gemeinsamkeit der Brieffreund in Petersburg (Kafka und sein Vater hatten ebenfalls ein schwieriges angespanntes Verhältnis)
  • Widmung: (»Eine Geschichte für Felice B.«) → Verdeutlichung des persönlichen Bezuges (Georgs Verlobte hat die gleichen Initialen wie Kafkas Verlobte Felice Bauer)
  • Kafka versucht durch dieses Werk eigene Erfahrungen zu verarbeiten

Was zeigt in diesem Werk seinen Stil?

  • kurze und eindeutige Aussagen
  • sparsames Nutzen von Adjektiven und geradliniger Erzählform → Fokus wird auf die wesentlichen Fakten gelenkt
  • innere Monologe und Gedanken dienen als Rückblende
  • rhetorische Fragen

Sprache:

  • sein Stil vermischt Wirklichkeit mit Phantasie → führt zu einer beängstigenden Atmosphäre
  • schmucklose Sprache, es werden wenig stilistische Mittel eingesetzt
  • trotz der Einfachheit entsteht ein eindeutiges und gut verständliches Bild vom Geschehen
  • symbolhafte Sprache
    • Vergleich: helles Zimmer Georgs/ dunkles Zimmer seines Vaters
    • Wohnsituation des Sohnes wird mit Freiheit assoziiert
    • die des Vaters mit Tod und Gefangen sein
  • Überlegenheit des Vaters wird durch Redegewandtheit dargestellt → Georg fällt nichts ein zu erwidern

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