Hofmannsthal, Hugo von - Die Beiden (Interpretation)

Schlagwörter:
Hugo von Hofmannsthal, Gedichtinterpretation, Sonett, Verse, Kreuzreim, Reimpaar, erotische Begegnung, Referat, Hausaufgabe, Hofmannsthal, Hugo von - Die Beiden (Interpretation)
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Referat

Hugo von Hofmannsthal - Die Beiden (Versuch einer Interpretation)

Hofmannsthals Gedicht „Die Beiden“ ist zweifelsohne – die Untersuchung wird es zeigen – ein Sonett, auch wenn die 14 Verse im Block gesetzt sind. Daher werde ich auch in der Folge von Vier- und Dreizeilern reden, obwohl diese im Druckbild nicht zu sehen sind. Die 4-füßigen Jamben sind im ersten Vierzeiler paarweise männlich gereimt; im zweiten umschließt ein männliches Reimpaar, das den ersten Reim wieder aufnimmt, einen weiblichen Paarreim. In den beiden Dreizeilern wird der genannte Reim fortgeführt: Als Kreuzreim mit einem weiblichen Reimpaar umschließt er quasi einen männlichen Paarreim. So weit die etwas komplizierten formalen Gegebenheiten.

„Die Beiden“ nennt Hofmannsthal sein Gedicht über die offensichtlich erotische Begegnung zweier jungen Menschen, doch im ersten Teil richtet der nicht genannte Beobachter seinen Blick zuerst auf die Frau, dann auf den Mann. Sie wird mit schwebender Betonung sofort genannt, und ein recht unscharfer Vergleich lässt uns etwas über ihre Erscheinung ahnen: Das Glatte, Runde, fein Geformte des Becherrandes soll ihre wohl geformten Rundungen veranschaulichen. Zwar sind nur Mund und Kinn genannt, doch wer wollte das geistige Auge hindern, weiter zu schweifen? Viel deutlicher und eindeutiger die Schilderung dessen, was sie wie macht: Selbstbewusst – sie weiß, wie gut sie aussieht – und sicher trägt sie einen vollen Becher Wein, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten. Gleich zweimal wird die Aussage durch schwebende Betonungen bei „So leicht“ und „Kein Tropfen“ unterstrichen.

Übergangslos schwenkt nun der Blick des Betrachters zu ihm, dem jungen Mann. Anders gereimt, wie oben beschrieben, springt doch die innere Parallelität der beiden Strophen ins Auge: Das „So leicht und sicher“ wird als „So leicht und fest“ wieder aufgenommen, und so, wie ihre Hand den vollen Becher trug, so bändigt seine das Pferd, auf dem er ankommt. Es ist ein junges, temperamentvolles Tier, das er regelrecht unterwerfen muss: Von Zwang ist im Text die Rede, unter dem es, vor verhaltener Energie zitternd, steht. Aber er macht das souverän, ohne sichtbare Kraftanstrengung, mit „nachlässiger Gebärde“. Das eigenartig geglättete Metrum des Verses unterstreicht die Beiläufigkeit des Vorgangs.

So viel zu den beiden jungen Menschen als Einzelpersonen. Jetzt treffen sie aufeinander, und alles läuft ganz anders. Nebenbei: Auch die oben aufgetretenen Reimanordnungen werden nun sozusagen vermischt oder durcheinandergewirbelt. Gleich das erste Wort, „Jedoch“, baut einen Gegensatz auf, lässt uns gespannt sein auf das, was folgt. Wenn beider Hände sich nähern, wird der vorher so leicht getragene Becher ihrer sicheren und seiner kräftigen Hand zu schwer! Wie schwer, darauf weist die schwebende Betonung hin. Sie beben, sie zittern, sie verfehlen sich. Der verschüttete Wein wird zum äußeren Zeichen ihres inneren Aufruhrs. Der starke Affekt eines Augenblicks hat beider Ruhe, Kraft und Sicherheit hinweggefegt. Um beide geht es jetzt, nicht um zwei: Sie gehören zusammen, wie auch immer.

War es Liebe auf den ersten Blick, die diese Konfusion der Gefühle auslöste und ihre vorher gezeigte (Selbst-) Sicherheit so schlagartig verschwinden ließ? Oder kannten sie sich schon länger, war es nur die körperliche Nähe, die ihre Seelen so in Wallung brachte, dass es bis in die Motorik durchschlug? Einerlei, ein ausgesprochen hübsches Gedicht über die Liebe zwischen zwei jungen Menschen, die ihre Gefühle offenbar nicht so „cool“ im Griff haben wie viele Jugendliche heute.

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