Frisch, Max - Andorra (Vordergrund Andri)

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Aufbau, Max Frisch, Andri, Referat, Hausaufgabe, Frisch, Max - Andorra (Vordergrund Andri)
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Referat

Max Frisch - Andorra

Vordergrund Andri

Du bist ein Jud, sagten sie. Mir wurde gesagt, ich bin anders. Und ja, das bin ich. Ich wollte es nie wahr haben. Man sagte mir, ich und meinesgleichen denken alleweil nur ans Geld, und in der Tat, das tue ich. Sie sagten, ich habe kein Gemüt, und es ist so. Ich fühle nicht wie sie, mein Lachen ist mir ungewohnt und Weinen gar unmöglich. Ich habe keine Heimat, es stimmt, denn ich bin ein Jud.

Doch nun sagt Ihr, Hochwürden, ich bin einer von euch. Ein Andorraner. Sie sagten mir zuvor, ich sei anders und muss mich annehmen. Und ich habe mich angenommen. Nun sagen Sie, ich bin einer von euch. Warum verwirren Sie mich? Sie mögen für mich beten, Hochwürden, Sie mögen nur Gutes wollen, doch alles hilft nichts. Es ist nicht mehr 'Er', es ist 'Wir'. Hochwürden seid ein Verräter, denn Sie lügen. Ihr alle habt eure eigenen Wahrheiten.

Und nun sagt ihr, Andorraner, ich bin Schuld am Tod der Senora, die angeblich meine Mutter sein soll. Es ist leichter, jemand anderem die Schuld zu geben, und ihr tatet es. Ich bin anders, so tatet ihr es wieder mir an. Ihr alle habt mich beobachtet und euch leiten lassen vom Licht des Judseins, ihr sagtet, wer ich sein sollte. Ich habe es angenommen, aber nun will ich eure Hände nicht mehr auf meinen Schultern. Doch ich kann mich nicht wehren, denn ich bin das, was ihr nicht sein wolltet. Nun seht ihr alle, alle, nur nicht mich. Denn ihr verleugnet euch selbst. Ihr verschließt die Augen vor der Wahrheit. Ihr seid es, die die Schuld tragen.


  • Aufbau: zunächst überdenkt Andri nochmal die Stereotypen der Juden und sagt, dass sie auf ihn passen, dann denkt er noch einmal über den Pater nach, der ihm plötzlich sagt, er sei ein Andorraner, dann richtet er seine ganze Aufmerksamkeit auf die Andorraner, was er über sie denkt
    1. → zunächst redet Andri die Andorraner nicht direkt an, sondern sagt nur „Sie...“
    2. → Andri spricht direkt zum Pater, einem einzelnen Andorraner (spricht ihn an)
    3. → Andri spricht direkt zu allen Andorranern „Ihr...“ (spricht sie an)
  • insgesamt: Andri wiederholt sich sehr oft, doch dies ist Absicht, denn wenn man über etwas für ihn wichtiges nachdenkt, kreisen die Gedanken meistens um ein und dasselbe, sie wiederholen sich unweigerlich
  • „Es ist nicht mehr 'Er', es ist 'Wir'.“ → plötzlich gehört Andri zu den Andorranern, der Pater sagt im Neunten Bild „Du bist sein Sohn, unser Sohn...“ → akzeptiert ihn, distanziert sich immer noch von dem Judentum, erhebt sich darüber
  • „Ihr alle habt eure eigenen Wahrheiten“ → alle sagen, er sei Jude, doch plötzlich meint der Pater, er sei ein Andorraner, dann sagt noch der Wirt, Andri hätte die Senora mit dem Stein beworfen → alle sagen etwas anderes und halten es für die Wahrheit
  • „Es ist leichter, jemand anderem die Schuld zu geben, und ihr tatet es. Ich bin anders, so tatet ihr es wieder mir an.“ → wieder einmal wird dem Juden („ich bin anders“ → nämlich ein Jud und kein Andorraner) die Schuld gegeben, in diesem Fall am Tod der Senora
  • „... euch leiten lassen vom Licht des Judsein...“ → Andri spielt darauf an, dass es bestimmte Vorstellungen über den Juden gibt, den Stereotypen hatten alle geglaubt und Andri an den Kopf geworfen; „Licht“ → unbewusste Anspielung Andris darauf, dass die Andorraner im Gegensatz dazu 'Dunkel', 'Schwarz' sind und die Schuld tragen, also das Gegenteil von Licht (Sanktgeorgstag, wo alle die Häuser weißeln → die 'Schwärze' verdecken bzw. verschwinden lassen wollen, also die Schuld nicht tragen oder nur wegwischen wollen von sich)
  • „... ich will eure Hände nicht mehr auf meinen Schultern.“ → Alle haben ihm gesagt, wie er zu sein hatte, sie haben ihn dadurch bedrängt, doch nun will er ausbrechen und sich nicht mehr von den Andorranern leiten lassen
  • „..., denn ich bin das, was ihr nicht sein wolltet. ... Denn ihr verleugnet euch selbst.“ → die Andorraner haben Andri nur negative Eigenschaften zugesprochen, nur um von sich selber abzulenken, nur um nicht zu bemerken, dass sie selber diese Eigenschaften besitzen (→ „Es ist leichter, jemand anderem die Schuld zu geben, und ihr tatet es.“)
  • „Nun seht ihr alle, alle, nur nicht mich. Ihr verschließt die Augen vor der Wahrheit. Ihr seid es, die die Schuld tragen.“ → Sie wollen nicht 'sehen', dass er von den 'schwarzen' Soldaten abgeführt wird und dass sie ihn töten, obwohl er keine Schuld trägt, und das wissen auch die Andorraner (der Wirt hatte sich zu auffällig benommen), sie „verschließen die Augen vor der Wahrheit“; sie tragen in erster Linie die Schuld daran, dass die Senora getötet wurde, doch auch, dass Andri stirbt, denn sie haben es so weit zu- bzw. kommen gelassen
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