Andres, Stefan - Das Trockendock (Interpretation)

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Stefan Andres, Interpretation der Kurzgeschichte, Analyse, Zusammenfassung, Metaphern, Zeilenangaben, Referat, Hausaufgabe, Andres, Stefan - Das Trockendock (Interpretation)
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Referat

Stefan Andres - Das Trockendock (Interpretation einer Kurzgeschichte)


Stefan Andres 
Stefan Paul Andres wurde am 26. Juni 1906 in Dhrönchen geboren. Gestorben ist er am 29. Juni 1970 in Rom. Andres war ein deutscher Schriftsteller. Andres, Mitglied im Bamberger Dichterkreis, war in den 1950er Jahren einer der meistgelesenen deutschen Autoren. Seine bekanntesten Werke sind die Novellen El Greco malt den Großinquisitor (1936) und Wir sind Utopia (1942). Typisch für den Stil von Andres waren Handlungswendungen, überlegt angewandte Bildlichkeit und eine knappe, schnörkellose Sprache.


Interpretation der Kurzgeschichte "Das Trockendock"
Die Kurzgeschichte „Das Trockendock“ von Stefan Andres spielt Ende des 18. Jahrhunderts in Toulon und beinhaltet neben geschichtlichen Gesichtspunkten Aspekte der Freiheit, des Todes sowie menschlicher Ab- und Einsichten.

Die Geschichte erweckt aufgrund ihres historischen Hintergrundes und der anfangs in die Thematik einführenden Erläuterungen den Eindruck eines Sachtextes. Dieser Abschnitt legt dar, dass zu jener Zeit ein Schiff vom Stapel gelassen wurde, indem ein Sklave unter Lebensgefahr die letzte Stütze wegschlug und wenn möglich sich selbst in die Freiheit retten konnte. Die ab Z. 20 in gewohnter Form beginnende Kurzgeschichte berichtet darüber, wie der Ingenieur Grognard aufgrund des in seinen Augen schrecklichen Schicksals, welches ein Sklave beim Stapellauf einer Fregatte erleidet, die Idee ein Trockendock zu konstruieren hat. Mit dem Bau dieses Docks zieht er jedoch den Zorn eines anderen Sträflings auf sich, der scheinbar dieselbe Nummer (3222) wie die des zuvor gestorbenen Sklaven trägt. Er wird von diesem daraufhin mit einem Hammer niedergeschlagen. In diesem Augenblick wird dem Ingenieur klar, dass er sich geirrt hat und mit dem von ihm gut gemeinten Einfall den zu einer lebenslänglichen Strafe verurteilten Sklaven jegliche Chance auf Freiheit genommen hat.

Die Meinung des Ingenieurs über die gefährliche Art des Stapellaufs ändert sich im Verlauf der Geschichte: Zunächst ist er von ihr überzeugt und erachtet sie als sinnvoll bzw. „menschlich und gut“ (Z. 36f). Diese Ansicht ändert sich jedoch radikal, als er zum ersten Mal aus geringer Entfernung unmittelbar miterlebt, wie aus dem Gesicht des Sklaven, der die Stütze wegschlägt, unterschiedlichste Gefühle sprechen: Todesangst, Panik und Verzweiflung gemischt mit Hoffnung. Die deutlich erkennbare Angst überwiegt jedoch und mit dem Tod des Sklaven kommt Grognard die Idee des Trockendocks.

Auf den ersten Blick erscheint es, als wolle er insbesondere zum Wohl der Sklaven beitragen. Dieses Ansinnen versteckt er, indem er als Grund den Fortschritt der Allgemeinheit nennt. Bei näherer Betrachtung allerdings fällt auf, dass der Autor die Formulierung des „Erlöstseins“ gewählt hat (Z. 96). Das Erlebnis, einen flehenden Menschen zu beobachten, der ihm kurz vor dem Moment seines Todes direkt in die Augen blickt und mit dem er sich sogar gewissermaßen verbunden fühlt, ist für ihn schockierend und ruft ein schlechtes Gewissen bzw. Schuldgefühle hervor. Der letzte Gesichtsausdruck des Sklaven hat für Grognard zur Folge, dass er unbewusst nach einer Lösung sucht, um sein Gewissen zu beruhigen. Natürlich spielen bei dem Bau des Trockendocks für ihn auch Hilfsbereitschaft und Mitleid eine nicht unerhebliche Rolle.

Seine anfängliche Sichtweise eines „guten und menschlichen“ Stapellaufs hat sich nun geändert und ändert sich wiederum, als er von bereits erwähntem Sklaven erschlagen wird. Da dieser zufälligerweise dieselbe Nummer (3222) trägt oder Grognard diese in seiner Verwirrung zumindest als solche erkennt, wird ihm bewusst, dass er einen Fehler begangen hat - in dem Glauben den Sklaven durch ein Trockendock zu helfen. Man kann höchstens vermuten, dass er evtl. sogar zu der Einsicht gelangt ist, im Prinzip eigennützig gehandelt zu haben.
Nicht alles, was gut gemeint ist, wirkt sich auch positiv für die anderen aus.

Aus der Sicht der Sklaven ist die Möglichkeit frei zu werden viel höher einzuschätzen als die Gefahr beim Stapellauf getötet zu werden. Obwohl diese Wahrscheinlichkeit größer ist, gehen sie dieses Risiko ein. Somit ist es denkbar, dass auch der Tod eine Art der Freiheit mit einschließt, d.h. die Erlösung von dem Leben in Gefangenschaft. Daher ist der Stapellauf von diesem Standpunkt aus in jedem Fall (ob nun Leben oder Tod) eine Befreiung, die mit Hoffnung, aber angesichts des Todes auch mit Angst, Qual und Entsetzen verbunden ist. Des Weiteren ist es von einem tonnenschweren Schiff überrollt zu werden eine grausame Weise zu sterben. Dies alles nehmen die Sklaven dennoch in Kauf um ihre einzige Chance zu haben und nutzen zu können.

Vielleicht hätte der Sklave, der den Ingenieur mit den Worten „Das ist der Mann des Fortschritts, der uns den Weg zur Freiheit nahm! Zur Hölle mit dir!“ (Z. 106/107) erschlägt, anders über ihn geurteilt, wenn er über seine wahren Beweggründe, d.h. z.B. Mitgefühl, Bescheid gewusst hätte. Niemand hätte aus Mitleid mit Sklaven einem solchen neuen Bauprojekt zugestimmt, wenn dies der einzige Grund gewesen wäre, deshalb führte Grognard auch andere (z.B. wissenschaftliche) Gründe an. So jedoch betrachtet der Sklave es als Gemeinheit und Ungerechtigkeit, ihm und den anderen den Weg in die Freiheit zu nehmen und rächt sich in seiner Wut und Hilflosigkeit an ihm. Es stellt sich hierbei die Frage, ob es gerechtfertigt ist, deshalb einen Menschen zu ermorden.

An dieser Stelle des Textes hebt sich zum zweiten Mal in der Geschichte einer der Gefangenen aus der Masse der Sklaven ab. Er verleiht wahrscheinlich erstmals seinen Gefühlen Ausdruck und lehnt sich gegen den von ihm als niederträchtig erachteten Ingenieur auf. Das erste Mal steht der erste Sklave mit der Nr. 3222 im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Er verhält sich (verständlicherweise) äußerst angespannt und unsicher, was durch folgende Wörter zum Ausdruck kommt: „zögernd“ (Z. 49), „pickend und vorsichtig pochend“ (Z. 52), „vorsichtig antastende Bewegung“ (Z. 56), „das zitternde Lächeln“ (Z. 62) sowie durch den gegensätzlichen Vergleich „gelenkig wie ein Wiesel und wild wie ein Stier“ (Z. 73).

Dem in Anbetracht des riesigen Schiffes winzig erscheinenden Mensch kommt in diesen Augenblicken die Szene irreal und wie im Traum vor, sodass er wie versteinert stehen bleibt.
Das Gesicht des Sträflings wird anfangs als Schauplatz bezeichnet, seine Mimik spielt folglich eine sehr große Rolle für das Geschehen. Letztendlich verliert er den „Kampf“ gegen das Schiff, welches im Verlauf der Geschichte mit zahlreichen Ausdrücken bezeichnet und sogar personifiziert wird: „Koloss“ (Z. 11), „hölzerner Berg“ (Z.16), „schwarzer Schiffsbauch“ (Z. 49), „gewölbter Rumpf wie ein schwarzer Fittich“ (Z. 50/51), „arglistig ohne sein Zutun entrinnen“ (→ Personifikation, Z. 67), „mischte seine vom Hammer geweckte Stimme in dessen Schläge“ (→ Pers., Z. 75).

Wie wenig das Leben der Sklaven wert war, die eigentlich nicht als richtige Menschen, sondern vielmehr als zu benutzende Gegenstände betrachtet wurden, ist u.a. erkennbar an den Textstellen, die sich auf die „schleimige Blutspur“ beziehen. Die Bedeutungslosigkeit zeigt sich darin, dass sie einfach weggewischt bzw. von den anderen Sklaven mit Sand bedeckt wird. Auf die Anonymität der Sträflinge wird verwiesen durch den Vergleich mit „stummen Ameisen“ (Z. 28), die wie willenlose Marionetten „an einem unsichtbaren Faden“ hängen. In dieser Masse sind keine Individuen mehr erkennbar. Der Einzelne ist bedeutungslos und nicht erkennbar.

Seitens der Sträflinge wird deren trostlose Situation durch die Darstellung des düsteren Schauplatzes unterstrichen. Die Umgebung wirkt finster, gewaltig und regelrecht bedrohlich.
Die abbrechende Musik verstärkt die (An-)Spannung unter den Zuschauern, die sich immer weiter steigert. Darauf folgt eine „gefährliche Stille“ (Z. 54). Wenig später „ging ein Stöhnen über den Platz, man wusste nicht, kam es aus dem Publikum,...“ (69f), dann löst sich die Spannung durch einen „brünstigen vieldeutigen Schrei“ (83) – vieldeutig daher, dass die Zuschauer das Geschehen mit äußerst gemischten Gefühlen betrachtet haben. Der Schrei drückt wohl einerseits den Jubel über den gelungenen Stapellauf aus, andererseits Betroffenheit und das Entsetzen, den Tod eines Menschen miterlebt zu haben. Das Publikum hat den Schauplatz vermutlich mit unterschiedlichen Absichten aufgesucht: möglich sind Unterhaltung, Spannung, evtl. auch Schaulust und ‚Nervenkitzel’.

Trotz des Endes der Geschichte war das Trockendock eine wichtige technische Neuerung. Übertra-gen auf die heutige Zeit gibt es keine vergleichbaren Ereignisse mehr (zumindest hierzulande), denn die Sklaverei wurde abgeschafft, es werden keine Menschenleben mehr geopfert. Insofern scheinen sich moralische Wertvorstellungen stark geändert zu haben.

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