Kafka, Franz - Eine kaiserliche Botschaft (Interpretation)

Schlagwörter:
Franz Kafka, Erzählstil, Erzähler, Referat, Hausaufgabe, Kafka, Franz - Eine kaiserliche Botschaft (Interpretation)
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Referat

Franz Kafka: Eine kaiserliche Botschaft

Eine freie Interpretation von Clifford Beul

Die Prosa „Eine kaiserliche Botschaft“ wurde 1917 von Franz Kafka verfasst. Der Kaiser, des Tode nahe, sendet seinen Untertanen eine geheime Botschaft. Ein Bote wird dazu beauftragt diese ins Land zu tragen und weiterzugeben. Seine Aufgabe ist dem Anschein nach aber zum Scheitern verurteilt, denn unzählige Hindernisse in Form von Menschenmassen, Gebäude und ganze Städte stellen sich zwischen ihn und sein Ziel.

Die Geschichte wird von einem Er-Erzähler berichtet, der dem Leser mit seinem subjektiven Erzählstil vermittelt, er wäre selbst Teil der damaligen Geschehnisse gewesen. Der Nacherzählungscharakter, der zu Beginn durch den Einschub „so heißt es“ (Z. 1) deutlich wird, lässt vermuten, dass die Geschichte wahrscheinlich von Generation zu Generation weitergereicht worden ist und somit auf diesem Wege zu ihm gelangte. Die Atmosphäre zu Beginn ist positiv: Ein glanzvoller Kaiser im Sterbebett gibt einem Boten eine letzte Botschaft, die dieser den Untertanen überbringen soll. Die Macht des Kaisers zeigt sich in dem Emblem seiner „kaiserlichen Sonne“ (Z. 2), vor der seine Untertanen nur die Schatten sind, die durch die Alliteration und Hyperbel „fernste Ferne“ (Z. 2) unvorstellbar weit von ihrem Herrscher entfernt sein müssen. Der Bote wird durch eine Aufzählung als „ein kräftiger, ein unermüdlicher Mann“ (Z. 10) beschrieben, der folglich mehr als geeignet für diese Aufgabe erscheint. Beobachtet von den umstehenden „Großen des Reichs“ (Z. 8) macht er sich auf den Weg zu den „jämmerlichen“ (Z. 1) Untertanen, begleitet und kenntlich gemacht mit dem Symbol der kaiserlichen Autorität auf der Brust: „[dem] Zeichen der Sonne“ (Z. 12). Die euphorische Aufbruchstimmung kippt jedoch, weil sich Widerstände auftun, die mit einer Antithese und dem Bindewort „aber“ jedes Mal aufs Neue eingeleitet werden. Auf das Oxymoron „das herrliche Schlagen“ (Z. 14) an deiner Tür kann der Untertan sicherlich ewig warten, denn „Paläste“, „Treppen“ und „Höfe“ gilt es für den eifrigen Boten zu überwinden. Unzählige Male wiederholen sich diese Hindernisse im Text und sinngemäß.

Noch schlimmer überwiegt die Tatsache, dass mehrmals erwähnt wird: „und gelänge ihm dies, nichts wäre gewonnen“ (Z. 17 f.). Der Bote bemüht sich also über die riesige zeitliche Dimension von „Jahrtausende[n]“ (Z. 21) vergeblich. Der Einschub „aber niemals, niemals kann es geschehen“ verstärkt, die von den vielen benutzten Konjunktiven bereits sichtbare Unwahrscheinlichkeit seiner Ankunft. Sofern dies doch gelänge stehe er vor der Methaper: „die Mitte der Welt, hochgeschüttet voll ihres Bodensatzes.“ (Z. 22). Deuten kann man dies als letztes ultimatives Hindernis oder als eine Ruine der menschlichen Zivilisation, in der kein Untertan mehr wohnt, der sich wie im letzten Satz die Begegnung mit dem Boten „erträumt“ (Z. 24). Im historischen Kontext betrachtet kann man die gesellschaftlichen Gruppierungen des ersten Weltkrieges den einzelnen Personen zuordnen. 1917 waren viele Deutsche ernüchtert vom Krieg und sehnten sich nach Frieden. Dieser Wille wird durch den Kaiser repräsentiert, der vom Tod verfolgt wird. Die Botschaft könnte somit lauten: „Der Krieg ist vorbei!“, doch die Großen des Reichs verhindern den Frieden. Zu diesen lassen sich alle rechten Gruppierungen und die Oberste Heeresleitung zuzählen, weil sie glaubten Deutschland hätte den Krieg noch gewinnen können. Und der verbliebene Untertan wäre all diejenigen Menschen, die nach unsäglichem Leid und Bitterkeit, einfach nur den Frieden erträumten. Eine weitere Interpretationsmöglichkeit besteht darin, das menschliche Leben oder Dasein genauer zu beschreiben. Jeder Mensch kann zu etwas höherem bestimmt sein, doch weiss er nicht zu was, sondern nur, dass die Erkenntnis oder die Wahrheit sich auf dem Weg zu ihm befindet. Ob diese je ankommt bleibt ungewiss, aber die Möglichkeit schafft bereits Hoffnung.

Franz Kafka hat sich mit seinem grandiosen Werk „Eine kaiserliche Botschaft“ selbst übertroffen. Was so euphorisch begann, endete so tragisch. Die Geschichte erzählt von vergeblichen Hoffnungen, nutzlosen Bemühungen und einem bitteren Schicksal. Wie immer bleibt auch hier jede Interpretation bloß ein stümperhafter Versuch, sich Kafkas grenzenloser Übergenialität anzunähern, denn Sinn und Zweck verschleiern sich gekonnt hinter vielen „und’s“ und „aber’s“. Im Großen und Ganzen ein punkt- und zeitloses Meisterwerk.

Aus: Clifford Beul, Von Sinn bis Unsinn – Eine Reise ohne Wiederkehr, unveröffentlicht, Haiger 2009

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