Kafka, Franz - Vor dem Gesetz (Interpretation)

Schlagwörter:
Franz Kafka, Die Parabel Vor dem Gesetz, rhetorischen Mittel, Referat, Hausaufgabe, Kafka, Franz - Vor dem Gesetz (Interpretation)
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Referat

Franz Kafka: Vor dem Gesetz

Eine unfreie Interpretation von Clifford Beul

Die Parabel „Vor dem Gesetz“ wurde von Franz Kafka verfasst. Ein Mann vom Lande begibt sich vor das Tor des Gesetzes und verlangt Eintritt gegenüber dem Türhüter. Dieser verwehrt ihm jedoch unnachgiebig den Einlass und so wartet der Mann, mehr oder weniger geduldig, den Rest seines Lebens vor dem Gesetz ohne jemals in das Innere des Tors gelangt zu sein.

Ein neutraler Er-Erzähler berichtet über einen Mann vom Lande, der das Tor des Gesetzes erreicht im Glauben es stehe offen wie immer und solle doch jedem zugänglich sein. Der Türhüter lehnt sein Gesuch um Eintritt jedoch ab und vertröstet ihn auf einen späteren Zeitpunkt, allerdings könne es der Mann trotz des Verbots gerne probieren sich Zutritt zu verschaffen. Den mächtigen Türhüter vor sich stehend, verwirft er diese Möglichkeit aber ungenutzt. So wartet der Mann vom Lande über den schier ewigen Zeitraum von „Tage[n] und Jahre[n]“ (Z. 16). Jedes Bitten und jeder Versuch einer Bestechung laufen ins Leere.

Während die Zeit den Mann allmählich körperlich und seelisch dahin rafft, erkennt er „einen Glanz, der unverlöschlich aus der Türe des Gesetzes bricht“ (Z. 31 f.). Dem Tode schon sehr nahe fragt er den Türhüter, wieso „in den vielen Jahren niemand außer [ihm] Einlass verlangt hat?“ (Z. 38 f.), wo doch alle nach dem Gesetz streben (vgl. Z. 37 f.) und so offenbart der Türhüter ihm schließlich, dass „dieser Eingang nur für [ihn] bestimmt“ (Z. 41) war und jetzt geschlossen wird. „Vor dem Gesetz“ bietet klassischerweise Interpretationsmöglichkeiten in allen Variationen. Sinnbildlich kann das Leben hier als Beispiel stehen. Es eröffnen sich uns tagtäglich Chancen in den unmöglichsten Situationen, deren Ausmaße unvorstellbar sind, doch wir stehen nur als Betrachter unserer selbst neben uns, um Zuschauer eines improvisierten Theaters zu werden, in der man die Chance seines Lebens einfach passieren lässt. Ihr nachläuft, nachtrauert, nur um letztlich Festzustellen, dass alles Vergebens gewesen ist. Vielleicht muss man ja seine eigenen Träume aufgeben, damit das Glück einen wiederfindet. Franz Kafka vermittelt außerdem mit seiner Parabel den Eindruck, als hätte er die Probleme unserer heutigen Jugend bereits geahnt. Wie viele Stunden standen wir vergebens in der Nacht, in der Kälte vor den Clubs und den Discos unseres Landes und baten um Einlass in eine Welt, die für uns Vergnügen, Vergessen und Leben bedeutet. Doch abgelehnt von den Türstehern, die mächtiger erscheinen als alle Türhüter es hätten jemals sein können, warten wir trotzig, aber hoffnungslos auf eine Chance den Abend irgendwie, irgendwo und irgendwann noch zu seiner Vollendung zu bringen.

Wer hier nach Kafkas allseits beliebten rhetorischen Mitteln sucht, der sucht vergebens, beinahe so vergebens wie der Mann vom Lande um Eintritt in das Tor zum Gesetz bittet. Erstaunlich simpel erscheint hier das Wechselspiel von Aktion und Reaktion. Auf jede Bitte folgt eine klare Absage. Aber was wären Franz Kafkas Parabeln schon wert, wenn nicht am Ende ein schicksalhafter Widerspruch auftauchen würde, so wie der arme Mann seine nie dagewesene Chance hat verstreichen lassen, sein persönliches Tor des Gesetzes zu passieren.

Aus: Clifford Beul, Irgendwo tief im Nirgendwo, unveröffentlicht, Haiger 2009

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