Rote Armee Fraktion (RAF) - eine linksextremistische terroristische Vereinigung (die Anfänge)

Schlagwörter:
Kaufhausbrände, Stammheim, Terror in Deutschland, Horst Mahler, Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Referat, Hausaufgabe, Rote Armee Fraktion (RAF) - eine linksextremistische terroristische Vereinigung (die Anfänge)
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Referat

Die RAF in ihrer Entstehungsphase


Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Die Anfänge
    1. Wie alles anfing
    2. Kaufhausbrände
    3. Weg in Illegalität
    4. Aufbau der Logistik
    5. Offensive
    6. Stammheim
  3. Reflexion
  4. Zeittafel
  5. Kurzbiographien


1. Einleitung
„...vom studentischen Protest zur terroristischen Aktion“ lautet die Thematik meiner Facharbeit, wobei ich mich zuerst fragen musste, welche Ursachen es hat, dass Studenten Bomben legen und andere Leute erschießen? Zur Beantwortung der Frage durfte ich keinem Urteil folgen, das bereits besteht, sondern musste mir ein Einblick in die Zeit und Gedanken der Beteiligten verschaffen, um verurteilen und verstehen bzw. tolerieren zu können.

Folgende Fragestellung machte ich mir zu einem Bewertungskriterium der RAF:
„Wie viel Wirkungsraum wurde dieser Generation eingeräumt, um ihre Epoche zu gestalten? Das rührende Signal, das die Hippies damals gegeben haben, und dann schon ärgerlicher, die Gammler...dann die Drogensucht, die Selbstvernichtung, haben wir all das nicht gesehen? Und dazu das andere Ärgernis: An den Hochschulen die junge Linke, hauptsächlich Bürgerkinder, bald abgeblockt von beiden Seiten, theoriewütig und für die Arbeiterschaft unverständlich - wie viel Wirkungsraum wurde ihnen eingeräumt, um Erfahrungen zu machen im Staat...? Erwartet wurde ihre Unterwerfung“ („Rudi Dutschke“, Jürgen Miermeister, Hamburg 1986, Max Frisch zu der Studentenbewegung)

Um zu verstehen wie dann realisiert wurde, solch unglaublichen Druck auf den Staat auszuüben, musste ich die einzelnen Abschnitte, die den Weg der RAF begleiten anschauen, und diese voneinander trennen. Die radikalisierende Entwicklung steht im Vordergrund, so dass ich einen chronologischen Aufbau gewählt habe, da dieser nicht nur die Geschehnisse, sondern auch die Motivation der Beteiligten verdeutlichen soll. Deshalb habe ich mich auch für das Thema entschieden, da ich wusste, dass ich mich mit dem Thema auseinanderzusetzen habe und durchaus mit geteilter Meinung zu den Ereignissen stehen kann, und nicht ja oder nein sagen muss.


2. Die Anfänge


2.1 Wie alles anfing
"Also da fängt denn meine Geschichte an. Solange du angepasst bist, kriegst du ja nie einen Widerspruch mit, hast du nur eine instinktive Abneigung, sagen wir mal gegen eine Belastung, gegen Stress, gegen den Leistungsdruck, in dem du drin bist, den machst du ja mit, automatisch, weil du ja nichts anderes kennst und nichts anderes siehst,..." („Wie alles anfing“, Bommi Baumann, Frankfurt a.M. 1977)

Die Rote Armee Fraktion, im Volksmund sprach man von der „Baader-Meinhof Bande“, ist aus der studentischen Protestbewegung Berlins am Ende der 60er Jahre entstanden. Somit ist ihre Entstehungsgeschichte, ihr Fundament, sehr nah an diese Protestbewegung angelehnt, wenn auch im weiteren Verlauf der Geschichte die Gruppierung um die „Protagonisten“ der ersten RAF-Generation Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler und Ulrike Meinhof sich immer weiter im Sinne der Ideologie, Zielrichtung und vor allem Strategie von der Außerparlamentarischen Opposition (APO), die den studentischen Protest führte, distanziert hat. Eine gemeinsame Idee, die als Grundlage diente, hatten beide Bewegungen. Doch stellt sich die Frage, wie es zur Entstehung einer solchen Bewegung mit ihren niemals angenommenen Ausmaßen kommen konnte. Sicherlich war ein Punkt die sogenannte "Nachkriegsgeneration", welche in den 50er und 60er Jahren in einer Wohlstandsgesellschaft aufgewachsen war, und nun nach neuen, anderen Lebensinhalten und Idealen suchend, gegen die bestehende, zum größten Teil konservative; Gesellschaftsordnung revoltierte.

Ein anderer Aspekt ist die Tatsache, dass diese Protestbewegung in großem Maße an Berlin gebunden war. Mit dem „Otto-Suhr-Institut“ war die größte Einrichtung zur Ausbildung von Politologen am Ort, das heißt, eine große Anzahl an jungen, politisch interessierten und auch engagierten Menschen, befand sich zu diesem Zeitpunkt in Berlin. Auch die Befreiung vom Wehrdienst in dieser Stadt war bedeutend, da sie hierdurch einige junge Männer anzog, die dem Staat und seinen Institutionen gegenüber kritischer eingestellt waren. Mischt man diese Faktoren nun noch mit einigen individuellen und psychologischen Faktoren „...der junge Student, aus der Provinz kommend, seine neue Freiheit in einer fremden, anonymen und von den verschiedensten Kulturkreisen durchfluteten Stadt genießend und auf Gleichgesinnte stoßend...“ („Wie alles anfing“, Bommi Baumann, Frankfurt a.M. 1977), ist der Weg in eine protestbereite, junge und revolutionierende Bewegung angedeutet bzw. nachzuvollziehen...

„Für mich war es einfach klar am Anfang, ich habe die langen Haare schön gefunden. Dass du dich selber entdeckst, verstehst du. Früher als du klein warst, da kamen die Leute und sagten, ach wie schön gekämmte Haare du hast, wie schön geputzt sind deine Schuhe oder wie nett gebügelt ist dein Hemd, das ist aber ein nettes Kind. ...Am Anfang ist nur Verwirrung und denn gehst du bewusst, da gefällst du dir natürlich in der Rebellensituation, ganz klar, weil du dir selber gefällst auch." („Wie alles anfing“, Bommi Baumann, Frankfurt a.M. 1977)
Zu Beginn der Studentenrevolten “beschränkten“ sich die Aktionen des Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), der als studentischer Flügel der SPD galt, die sich 1960 von ihm jedoch distanzierte, sowie mehrerer anderer kleinerer Gruppierungen wie der „Kommune“ I, „umherschweifende Haschrebellen“, „Blues“, etc. auf Demonstrationen, Sit-ins und vor allem in Diskussionen über das weitere Vorgehen. Zentrale Themen hierbei waren schon zu Beginn dieser Protestbewegung die „Anti-Imperialismus-Theorie“ (die Ausbeutung des Proletariats zu thematisieren), der Vietnam-Krieg, das Pressemonopol Axel Springers und dessen sogenannte “Hetzkampagne“ gegen die Studentendemonstrationen und deren Anhänger bzw. Aktivisten sowie die Kritik an der deutschen Gesellschaft im allgemeinen. Auch wurde zu diesem Zeitpunkt schon über die Rechtfertigung der Gewaltanwendung gegenüber dem Staat und seinen Institutionen diskutiert. Die große Mehrheit der APO lehnte diese Art der Revolution ab, wohingegen einzelne Personen, darunter auch Andreas Baader und Gudrun Ensslin, sich berufend auf die Theorien von Marx, Lenin, Mao Tse-Tung, Marcuse und Che Guevara, mehr gewalttätigen Aktionen zuwandten. Die Frage, ob gewaltsame Aktionen gegen den Staat gerechtfertigt seien, beantworteten Staat und Gesellschaft, wenn auch vermutlich unabsichtlich, zumindest teilweise selbst. Zwei entscheidende Ereignisse könnten den Weg hin zum deutschen Terrorismus stärker als alles andere geebnet haben:

Am 2. Juni 1967 sollte der Schah von Persien Berlin besuchen. Bereits im Vorfeld des Besuchs wurden persische Gegner des diktatorischen Regimes in Berlin ohne jegliche Rechtsgrundlagen festgenommen. Die Autobahnen, auf denen der Schah fahren sollte, wurden abgesperrt. Als Reza Pahlevi gegen 14.30 Uhr am Berliner Rathaus ankam, erwarteten ihn bereits Hunderte Demonstranten, abgeschirmt durch die Polizei und Schahanhängern, welche überwiegend vom iranischen Geheimdienst gestellt wurden. Als dann erste "Mörder! Mörder!" -Rufe laut wurden und Farbeier in Richtung des Schahs geworfen wurden, eskalierte die Situation. Ausgerüstet mit Holzlatten schlugen die Leibwächter wahllos auf die Demonstranten ein. Erst nach mehreren Minuten griff die Polizei auf Seiten der Leibwächter ein. Abends sollte das Kaiserpaar in die Oper gehen. Davor hatten sich erneut Demonstranten versammelt, ebenso die Polizei, die von den sogenannten “Prügelpersern“ unterstützt wurden. Wieder wurden Sprechchöre laut und es flogen Tomaten und Farbeier. Als der Schah die Oper unversehrt erreicht hatte, rückten die Demonstranten langsam ab, um sich nach Beendigung des Stücks erneut zu versammeln. Doch jetzt kam die "Leberwurst-Taktik" des Berliner Polizeipräsidenten Duensing zum Einsatz:

"Nehmen wir die Demonstranten als Leberwurst, dann müssen wir in die Mitte hineinstechen, damit sie an den Enden auseinander platzt." Ohne die gesetzlich vorgeschriebene Warnung begannen die Polizisten in die Menge einzuschlagen. Polizei und Leibwächter jagten den flüchtenden Demonstranten in die Nebenstraßen nach. Gegen 20.30 Uhr meinten einige Beamte einen "Rädelsführer" ausgemacht zu haben und stürmten los. Um den Studenten herum gab es ein Handgemenge zwischen Polizei und Demonstranten, in das auch der damals 39 jährige Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras verwickelt war. Der Schuss des Polizisten traf den inzwischen auf den Boden geprügelten Studenten Benno Ohnesorg, nach dem die „Benno-Ohnesorg-Brücke“ am „Schwarzen Bär“ benannt wurde, über dem rechten Ohr. Kurras beteuerte hinterher „der Schuss sei ihm versehentlich losgegangen“ und wurde freigesprochen.

„Am nächsten Morgen musste ich den Schah zum Flugzeug bringen. Ich fragte ihn, ob er von dem Toten gehört habe. Ja, das solle mich nicht beeindrucken, das geschehe im Iran jeden Tag“ (der damalige Bürgermeister von Berlin Albertz).

Auch die Berliner Tageszeitungen kommentierten die im Desaster endende Demonstration mit folgenden Überschriften:

„Störenfriede ausmerzen“ (Berliner Morgenpost)
„Es war das Werk eines Mobs“. (BZ)

Von diesem Datum ausgehend entstand 1972 die terroristische Vereinigung der „Bewegung 2. Juni“, dessen Name daran erinnern soll von welcher Seite die ersten Schüsse fielen. Zu einer Zusammenarbeit mit der RAF kam es nur sehr selten, da die Bewegung anarchistischer ausgerichtet war und nicht nur im Untergrund operierte. Nur eines stand für die studentische Revolutionsbewegung zum damaligen Zeitpunkt fest: Die Auseinandersetzung hat ihr erstes Todesopfer gefordert. „Es ist einer aus den eigenen Reihen“ („Wie alles anfing“, Bommi Baumann, Frankfurt a.M. 1977). Der Staat, der das Feindbild darstellte, sei für dessen gewaltsamen Tod verantwortlich. Somit hatte die sich noch entwickelnde Bewegung ihren ersten Märtyrer gefunden.

Das zweite ausschlaggebende Ereignis ist das Attentat, des jungen Arbeiters Joseph Bachmann auf den populären Führer des SDS, Rudi Dutschke am 11.04.68, an dessen Folgen er elf Jahre später verstarb. In beiden Fällen ist die Staatsgewalt sowie die Presse nicht völlig unbeteiligt (“3 Kugeln auf Rudi Dutschke“, Wolf Biermann,3. Anhang), und beide müssen sich damit zurechtfinden, dass sie an der Entscheidungsfindung zur Gewaltanwendung von einigen Personen aus dem Umfeld der APO, mitbeteiligt gewesen sind „Wir hatten keine andere Wahl, wir haben keine Mittel der Gegenmanipulation...mussten aber aller Welt deutlich machen, dass die organisierte Gewaltanwendung beendet werden soll. Deshalb mussten wir zur Gegengewalt greifen“ (Knut Nevermann, ehemaliger APO-Aktivist). Jedoch ist zwischen dem studentischen Protest, der „Gewalt gegen Sachen“ und der „Gewalt gegen Menschen“ zu unterscheiden. Michael Baumann und Ulrike Meinhoff reflektieren diese Problematik und die Zerrissenheit der Bewegung in den nachfolgenden Zitaten. Nach dem Tod von Benno Ohnesorg erlebte der SDS einen enormen Mitgliederzuwachs, die Gewaltdiskussion geriet in die entscheidende Phase, und man redete „... darüber, ob man als Ausdruck des Protests zu Gewalt greifen darf...Eier gegen Fassaden, Steine gegen Autos,...gibt es stärkere Formen des Widerstandes, die legitim sind und mehr bewirken?" („Wie alles anfing“, Bommi Baumann, Frankfurt a.M. 1977)

„Die Bildung der RAF 1970 hatte in der Tat spontaneistischen Charakter. Die Genossen, die sich ihr anschlossen, sahen darin die einzige wirkliche Möglichkeit, ihre revolutionäre Pflicht zu erfüllen... zutiefst entmutigt von den Aktionen der Studentenbewegung und der APO hielten sie es für nötig, die Idee des bewaffneten Kampfes zu propagieren. Nicht weil sie so blind waren, zu glauben, sie könnten diese Initiative bis zum Sieg der Revolution in Deutschland durchhalten, nicht weil sie sich einbildeten, sie könnten nicht erschossen und nicht verhaftet werden. Nicht weil sie die Situation so falsch einschätzten, die Massen würden sich auf ein solches Signal hin einfach erheben. Es ging darum, den ganzen Erkenntnisstand der Bewegung von 1967/68 historisch zu retten; es ging darum, den Kampf nicht mehr abreißen zu lassen“ (Ulrike Meinhoff zur Entstehung der RAF)

Aus diesen Ereignissen ist deutlich zu erkennen, dass Politik und Polizei zu diesem Zeitpunkt mit dieser, noch nie dagewesenen Situation konfrontiert wurden und versuchten durch überhartes Vorgehen die Bewegung einzuschüchtern bzw. einzudämmen, um die Sache kontrollieren zu können. Auch ist es nötig zu erwähnen, inwieweit die Presse, insbesondere der Springer-Verlag, versucht hat, die öffentliche Meinung zu einer absoluten Verurteilung der studentischen Revolution zu bewegen. Die protestierende Bewegung der BRD hatte diese sogenannte "Hetzkampagne" („Bild“-Überschriften, 5. Anhang) des Springer-Verlags für das Attentat auf Rudi Dutschke verantwortlich gemacht, wozu auch Günter Grass deutlich Position bezieht „Die Studenten haben nach dem Attentat genau das gemacht, was die Springerpresse von ihnen erwartet. Sie haben Kopf und Kragen verloren und bilden jetzt eine ungeheure Angriffsfläche“.

Michael „Bommi“ Baumann beschreibt in seinem Buch "Wie alles anfing", was ihn nach diesen Ereignissen bewegt hat, und er steht mit seinen Gefühlen und Gedankengängen für viele Personen der damaligen APO und ihrem Umfeld aus denen die RAF entstehen sollte.

„Zwei Tage vorher war er [Benno Ohnesorg] beim Extradienst (studentische Zeitschrift) und hat den abonniert, und ich habe da gerade ausgeholfen bei der Abonnementstelle, und habe ihn denn noch so kurz gesehen, also zwei Tage vorher und habe denn drei, vier Tage später vor seinem Sarg gestanden, und das hat mir echt einen irrsinnigen Flash denn gegeben, also das kann man schlecht beschreiben, da ist in mir fürchterlich was abgefahren....Und das Attentat auf Rudi...Als ich denn über die Straße bin und diese Fackeln und dieses Rufen immer "Rudi Dutschke", das war eben für mich die Verkörperung der ganzen Geschichte. Die Kugel war genauso gegen dich, da haben sie das erste Mal nun voll auf dich geschossen. Wer da schießt, ist scheißegal. Da war natürlich klar, jetzt zuhauen, kein Pardon mehr geben." („Wie alles anfing“, Bommi Baumann, Frankfurt a.M. 1977)


2.2 Kaufhausbrände
Am 2.April 1968 brennen in der Frankfurter Innenstadt die Kaufhäuser Kaufhof und Schneider. Wie später bekannt wird, wurden 2 mit Chemikalien gefüllte Flaschen ausgestattet mit einem Zeitzünder in der ersten und dritten Etage des Kaufhauses Schneider deponiert, die gegen null Uhr detonierten. Im Kaufhof wird eine ähnliche Bombe in der vierten Etage versteckt, die durch ihre Explosion die Feuerlöschanlage aktiviert, womit die gesamten unteren Etagen größtenteils überflutet werden und ein Sachschaden von 2 Millionen Mark entsteht. Der angerichtete Schaden im Kaufhaus Schneider beläuft sich auf knapp 280.000 Mark. Verletzte gibt es keine.

Am 5.April werden dann gegen 22.00h drei Berliner und eine Münchnerin festgenommen, die unter dringendem Verdacht stehen für diese Anschläge verantwortlich zu sein. Horst Söhnlein (25), Schauspieler und Besitzer des Münchener „Action-Theaters“, Thorwald Proll (26), der sich als „Gelegenheitsarbeiter“ bezeichnet und Gudrun Ensslin (28), die Germanistik studiert, schweigen jedoch zu den Anschuldigungen. Nur Andreas Bernd Baader (24), Selbstdefinition: Journalist, bestreitet etwas mit den Bränden zu tun gehabt zu haben. In Ensslins Auto werden Bauteile der oben genannten Bomben gefunden und ein Zettel mit Notizen für das sich in den Flaschen befundene Gemisch aus Chemikalien. Bei Thorwald Proll wird ein Notizblock gefunden, auf dem sich folgende Verse befinden

„...wann verseuchen die Banken
zerschlagen die Apparate
die Kulturapparate zerschlagt
zerschlagt den Kapitalismus
zerschlagt das kapitalistische
System. Es lebe die sozialistische
Weltrevolution. “

Die vier haben sich auf einem „Vietnam-Kongress“ in Berlin kennen gelernt und entschieden sich nun nicht mehr für das Verweilen auf einer theoretischen Ebene des Protests, welchem die meisten Mitglieder der linken Szene folgen, sondern bevorzugen vorerst die „Gewalt gegen Sachen“ , denn sie „...taten es aus Protest gegen die Gleichgültigkeit, mit der die Menschen dem Völkermord in Vietnam zusehen.“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991), wie Gudrun Ensslin erklärt.

Der Prozess gegen die Brandstifter beginnt am 14. Oktober 1968 in Frankfurt. Baader, Ensslin, Söhnlein und Proll, die ein halbes Jahr in Untersuchungshaft saßen, zeigen sich vor Gericht sehr verhandlungsunwillig „...gegen eine Klassenjustiz in der die Rollen verteilt sind.“, wie die vier bekannt geben. („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991)

Söhnlein und Proll, die in ihren Strafanzügen auftreten bezeichnen dies als “Justizhappening“, welches am folgenden Beispiel verdeutlicht wird. Auf die Frage des ersten Vorsitzenden
„Und sie sind Herr Baader?“, steht Thorwald Proll auf, um mit einem „Ja“ zu antworten. Der Vorsitzende merkt vorerst nichts.
„Sie sind geboren am 6.Mai 1943?
Nein ich bin geboren 1789.“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991)

Diese Form von Umgang mit der Justiz war nicht ungewöhnlich für damalige Verhältnisse in der linken Szene, was auch an der sehr gesellschaftskritischen Aussage Fritz Teufels, Mitglied im Sozialistischem Deutschen Studentenbund zu sehen ist, der auf die Anordnung des Richters sich zu erheben, anmerkt dies zu tun, wenn dies denn der Rechtsfindung diene.
Am dritten Tag der Verhandlung, die bereits ein reges Medieninteresse erweckt hat, gestehen Baader und Ensslin im Kaufhaus Schneider die Bombe deponiert zu haben, wobei sie betonen, dass es „...nicht ihre Absicht gewesen [sei] Menschenleben dabei zu gefährden.“ („Der Baader Meinhof Komplex“, Stefan Aust, Hamburg 1986). „Ich interessiere mich nicht für ein paar verbrannte Schaumstoffmatratzen, ich rede von verbrannten Kindern in Vietnam“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991), gibt Gudrun Ensslin zu verstehen, um die politische Bedeutung des Anschlags zu übermitteln. Der SDS jedoch distanziert sich von den “Anschlägen“ mit den Worten „Der SDS ist zutiefst darüber bestürzt...“ und verurteilt die Brandstiftungen als „...unbegründbare Terroraktionen“ („Der Baader Meinhof Komplex“, Stefan Aust, Hamburg 1986).

Doch finden die Brandstifter auch Zuspruch, wie von der “Kommune 1“, die verlauten lässt sie „...haben Verständnis für die psychische Situation, die einzelne jetzt schon zu diesem Mittel greifen lässt“ („Der Baader Meinhof Komplex“, Stefan Aust, Hamburg 1986).

Die Forderung der Staatsanwaltschaft lautet 6 Jahre Gefängnis, wobei der erste Staatsanwalt sogar 21 Jahre für die Angeklagten beantragt. Der Rechtsanwalt Baaders, Horst Mahler, kann das Haftmaß auf drei Jahre beschränken, was immer noch auf unerwarteten Protest der Öffentlichkeit stößt, so dass die Schriftstellerin Luise Rinser mit mehreren Kollegen einen Brief an den Frankfurter Oberlandesgerichtspräsidenten verfasst, in dem steht „dass gerade jene Menschen, die der Gesellschaft ihrer Zeit gegenüber als Rebellen auftraten, diejenigen waren, welche die Geschichte vorantrieben, indem sie Missstände aufzeigten und den Anstoß zu wichtigen Veränderungen gaben“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991).

Kaum ist das Urteil ausgesprochen werden Zwischenrufe aus Richtung der mit den Angeklagten sympathisierenden Zuschauer laut, die von Seiten der Ordnungskräfte zurechtgewiesen werden, so dass Baader und Söhnlein die unüberschaubare Situation nutzen, um über die Anklagebank hinwegzuspringen und ein “Fangen-spielen“ mit den Gerichtsdienern zu veranstalten. Zur selben Zeit werden Rauchbomben vor dem Gerichtssaal gezündet, so dass ein kleines Durcheinander entsteht, das abgesehen von mehreren Ordnungsstrafen, ohne Folgen blieb. Am 13.Juni wird im Bundesgerichtshof Revision eingelegt und die Verurteilten werden bis zur nächsten Gerichtsverhandlung freigelassen, da nur eine geringe Fluchtgefahr bestehe.


2.3 Weg in Illegalität 
Gudrun Ensslin und Andreas Baader betätigen sich nach der vorzeitigen Haftentlassung im Bereich der Sozialarbeit, in dem sie mit sozial vernachlässigten Jugendlichen arbeiten, was darauf zurückzuführen ist, dass sie dort ein revolutionäres Potential sehen und in der „... Erziehung einen zentralen Ansatzpunkt für die Veränderung der Gesellschaft“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991) sehen, wie Ensslin formuliert. Die „Baader-Gruppe“ umfasst 40 Jugendliche und steht erstens für eine alternative Erziehung zum Heim, da viele der Jugendliche aus Heimen getürmt sind, und zweitens dient sie der Gewinnung für politische Arbeit. Mit der Besetzung des Büros des Jugendamtleiters erreichen sie, dass fast allen Jugendlichen der Gruppe eine Ausbildungsstelle und eine Wohngelegenheit zugesichert wird.

Am 10. November 69 verwirft der Bundesgerichtshof die Revision gegen das Urteil, so dass Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Thorwald Proll nach Paris fliehen. In Paris angekommen finden sie für mehrere Wochen eine Wohngelegenheit in der Wohnung des Schriftstellers Régis Debray, einem ehemaligen Kampfgenossen Che-Guevaras. Astrid Proll, Thorwalds Schwester, kommt nach Paris, wohingegen Thorwald die Gruppe verlässt, da er nach Ansicht Baaders „zu weich“ für ein Leben im Untergrund sei, und den Rest seiner Haftstrafe zusammen mit Söhnlein absitzt.

Horst Mahler nimmt mit seinen „Mandanten“ Kontakt auf, um sie darüber zu unterrichten, dass in Berlin eine militante Gruppe aufgebaut werde, die den Namen „APO-Avantgarde“ trage.
So kommt es dazu, dass die gesuchten Baader und Ensslin zusammen mit ihrem Anwalt Mahler und Astrid Proll im Februar 1970 nach Berlin gehen, um dort Kontakt mit einer gewissen Ulrike Marie Meinhof aufzunehmen, die schon einmal mit den Brandstiftern zu tun hatte, da sie in Hamburg für das linke Blatt „Konkret“ einen Artikel (Zeitungsartikel von Ulrike Meinhof, 4. Anhang) verfasste, der versuchte die Kaufhausbrandstiftungen zu rechtfertigen.

In Berlin angekommen, ist nichts mehr von dem Protest der Masse zu spüren, da sich die Szene zersplittert hat, in maoistische, leninistische, stalinistische und Hippie-Zusammenschlüsse, die ohne Strategie oder Infrastruktur hilflos versuchen sich der Staatsgewalt zu widersetzen.

Nun kam die Überlegung, weitere Taten folgen zu lassen, wobei die Idee kam im Märkischen Viertel die unzähligen Zwangsausweisungen zu verhindern, denn so sollte nach Mahler „Auf diese Art und Weise...das Bewusstsein, dass hier ein gerechter Kampf gekämpft wird gegen Macht und Profitinteressen , in den Kreisen der Betroffenen, also im Stadtviertel, lebendig werden und eine politische Form erhalten“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991).

Am 2. April entscheidet die Gruppe sich dann zu bewaffnen, wobei Peter Urbach, ein Mitglied der „Kommune 1“, für die Beschaffung der Waffen sorgen sollte. Dass Urbach ein Spitzel des Verfassungsschutzes ist, war nicht bekannt. So kommt es, dass Andreas Baader, der sich mit Urbach in Verbindung gesetzt hatte bei der Beschaffung der Waffen von der Polizei verhaftet wird, und am 4. April in Untersuchungshaft nach Moabit kommt. Von dort aus wird er nach 3 Wochen in die Haftanstalt Berlin-Tegel verlegt, um dort die restliche Haftstrafe des Brandstifter-Urteils abzusitzen.

Die Gruppe entscheidet sich Baader zu befreien, wobei vier Hauptpunkte der Strategie angeführt sind:

  1. Ausführung selbst, Plan
  2. Waffen
  3. Kenntnis des Tatorts
  4. Kraftfahrzeuge

So begibt sich Ulrike Meinhof, eine mittlerweile bekannte Journalistin, nach Tegel, um dem Leiter des Gefängnisses zu berichten, dass der „Konkret“-Verlag ein Buch mit Baader geplant habe und dieser Einsichten in Schriften haben müsse, die jedoch nicht in die Haftanstalt zu beschaffen sein. Somit beantragt sie eine kurzzeitige Verlegung Baaders in das „Zentralinstitut für soziale Fragen“, was jedoch vorerst abgelehnt wird.

Einzig Horst Mahler ist es zu “verdanken“, dass diesem Antrag doch stattgegeben wird da er als einflussreicherer Anwalt versichert „Die Ausführung wird geordnet und ohne Zwischenfälle ablaufen“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991). Astrid Proll und Irene Goergens kümmern sich zur selben Zeit um die Beschaffung von Waffen, da eine Gefangenenbefreiung erstmals auch „Gewalt gegen Menschen“ bedeuten kann. Andere Mitglieder der Gruppe entwenden zwei Autos und auch der Tatort, das Zentralinstitut, wird ausgespäht, womit alle vier Punkte der Strategie beachtet wurden.

Um 9:45 Uhr am 14. Mai erwartet Ulrike Meinhof den Strafgefangenen Andreas Baader, begleitet von zwei Polizisten, im Lesesaal des Instituts. Nach einer Stunde stürmen Ingrid Schubert und Astrid Proll, bewaffnet und maskiert, in den Lesesaal. Auf den Fluchtversuch eines Angestellten des Instituts, schießt ihm Schubert in den Arm. Nun kommt es zu einem Handgemenge zwischen den Polizisten und Schubert woraufhin Proll zwei Schüsse aus einer Gaspistole auf einen der Polizisten abgibt. Baader und Meinhof können aus dem Fenster fliehen und in ein Fahrzeug einsteigen, das von Irene Goergens gesteuert wird.

Von diesem Zeitpunkt an wird nicht mehr nach einzelnen Personen, sondern nach der „Baader-Meinhof Bande“ gefahndet, womit der 14. Mai 1970 auch als die „Geburtsstunde“ der RAF zu bezeichnen ist. „Entstanden aus der Konkursmasse der Studentenbewegung.“ („Lieber wütend als traurig- Die Lebensgeschichte der Ulrike Meinhof“, Alois Prinz, Berlin 2003) sei die RAF, so Ulrike Meinhof.

Der Zeit der Anfänge und der Entstehung der terroristischen Organisation folgen nun drei Phasen, die die Entwicklung der ersten RAF-Generation um Baader und Meinhof bestimmten:

  1. Aufbau der Logistik
  2. Offensive, Mai ’72
  3. Zeit in Haft, Stammheim


2.4 Aufbau der Logistik
Ulrike Meinhof erläutert einen Tag nach der „Baader-Befreiung“ die Ziele der RAF auf einem Tonband für die Presse, auf dem bereits weitere gewaltsame Aktionen der Gruppe an Hand der Aussage „...natürlich darf auch geschossen werden!“ angekündigt werden. Die Fahndung im Frühsommer 1970 läuft auf Hochtouren, doch auch die ausgesetzten Belohnungen von 10.000 Mark auf die Mitglieder der Gruppe können nicht verhindern, dass sie in vielen Wohnungen aufgenommen werden. Schon zu dieser Zeit plant die Gruppe kurz unterzutauchen, will jedoch vorher öffentlich Stellung nehmen. So wird ein Treffen zwischen der französischen Journalistin Michèle Ray und Baader, Meinhof, Mahler und Ensslin arrangiert. Nach einem kurzen Gespräch wird ihr ein weiteres Tonband ausgehändigt auf dem die Befreiung Baaders gerechtfertigt und die Motivation deutlich wird.

„..., dass wir als erste Aktion eine Gefangenenbefreiung gemacht haben, weil wir glauben, dass diejenigen , denen wir klarmachen wollen, worum es politisch heute geht, welche sind, die bei einer Gefangenenbefreiung überhaupt keine Probleme haben sich mit dieser Sache selbst zu identifizieren....der Teil des Proletariats, von dem wir glauben, dass er potentiell revolutionär ist,...“ („Der Baader Meinhof Komplex“, Stefan Aust, Hamburg 1986). Unter anderem wird die Botschaft vermittelt, dass „...wenn [sie] mit einer Gefangenenbefreiung anfangen, dann auch deswegen, um wirklich klarzumachen, dass [sie] es ernst meinen.“ („Der Baader Meinhof Komplex“, Stefan Aust, Hamburg 1986).

Auf dem Tonband fällt zum ersten Mal der Name “Rote Armee Fraktion“, unter dem sich die Gruppe verstanden haben möchte. Somit sei die Befreiung als eine Art Vorgeschmack zu betrachten, von dem, was noch kommen sollte. Nachdem Stellung bezogen wurde, war die Gruppe bereit sich in ein militärisches Ausbildungscamp der militanten Palästinenserorganisation “El- Fatah“ zu begeben, um dort eine schnelle militärisch-terroristische Ausbildung zu erhalten.

Am 08. Juni 1970 fliegen die zum größten Teil gesuchten Personen Horst Mahler, Paul Dudin, Brigitte Asdonk, Manfred Grashof, Wolfgang Thoms, Petra Schelm, Heinrich “Ali“ Jansen und Hans-Jürgen Becker von Berlin nach Jordanien. 13 Tage später folgen ihnen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und einige andere Mitglieder, so dass sich schließlich in dem Camp rund zwanzig “Berliner Genossen“ befinden.

Das “Programm“ der Ausbildung lautet:

  1. Waffenkunde
  2. Schießen
  3. Selbstverteidigung
  4. Handgranaten werfen
  5. Herstellung von Sprengstoff
  6. Geländeläufe

Enttäuscht von der erwarteten Disziplin und der Strenge der Leiter verhalten sich die “herangehenden Terroristen“ „...kaum anders als eine Pfadfindergruppe auf Jugendherbergsfahrt“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991), was die Naivität einiger Beteiligter zum Vorschein kommen lässt, da noch alles wie hervorgesehen lief. Auch verdeutlicht sich dort der eigentliche Zwiespalt innerhalb der Gruppe, da „Meinhofs Ärgernis über die grausamen Foltermethoden einiger deutscher Politiker meist von den Wünschen Baaders nach grausamen Foltermethoden an deutschen Politikern begleitet wird“. Ausschließlich die Situation, in der sich jeder von ihnen befand hielt sie als feste Gruppe zusammen.

Im August kehrt die nun gut ausgebildete Gruppe in die BRD zurück, um dort den bewaffneten Kampf des “Stadt-Guerilla“ zu führen. Das “Mini-Handbuch des Stadt-Guerilla“ war in hohem Maße an der folgenden Strategie der RAF beteiligt und legte auch den Grundstein für die Vorgehensweise vieler westeuropäischer terroristischer Vereinigungen. Das Buch wurde für den Kampf gegen südamerikanische Diktaturen von dem Brasilianer Carlos Marighella verfasst, der 1969 ums Leben kam. Im Nachwort des Buches steht eine von den deutschen Übersetzern verfasste unmissverständliche Botschaft „Das Mini-Handbuch für den Stadtguerilla wird eines der wichtigsten Bücher für jeden, der als Konsequenz der unvermeidlichen Schlacht gegen Bourgeoisie und Imperialismus den Weg der bewaffneten Rebellen einschlagen will“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991).

Carlos Marighella legt seinen Schwerpunkt in dem Buch auf die “Logistikformel“ M-G-W-M-S

  • Motorisierung
  • Geld
  • Waffen
  • Munition
  • Sprengstoff

„...wenn die Bank des Geldes wegen ausgeraubt wird, so nimmt er [der Stadt-Guerilla] gleichzeitig von den Wachmännern deren Waffen.“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991). Auch wird er als „...ein Freund des Volkes und der Freiheit“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991) bezeichnet, der sich von einem Kriminellen unterscheide, da er einem politischen Ziel folge, wohingegen sich der Kriminelle an seinen Aktionen persönlich bereichern will.

Die Fähigkeiten eines Stadt-Guerillas lägen in der Initiative, Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit, die einen auffälligen Eindruck vermeiden sollen, was jedoch auch beinhaltet „..., dass er ein Mensch ist der mit der Waffe kämpft“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991). Die Unterlegenheit in Material und Stärke sollen durch vier “Anfangs-Vorteile“ bei jeder geplanten Aktion ausgeglichen werden:

  1. Moment der Überraschung
  2. Geländekenntnisse
  3. mobiler und schneller
  4. bessere Informationsarbeit

Doch sind auch “sieben Sünden“ aufgeführt, die der Stadt-Guerilla begehen kann:

  1. Unerfahrenheit, die zur Über- oder Unterschätzung des Feindes führt
  2. Mit Aktionen anzugeben
  3. Eitelkeit
  4. Überforderung eigener Kräfte
  5. überstürzte Aktionen
  6. aus Wut zu agieren
  7. komplette Improvisation

Nun folgt die lange Phase der Erfüllung der “Logistikformel“, der sich die Gruppe bereits bei ihrer Ankunft in Berlin bei der Motorisierung anfangend widmet. So werden laut Polizeiangaben mindestens 18 Autos gestohlen und zwischen dem 09. und 11. September acht Autos mit falschen Papieren gemietet. Der größte Teil wird umgespritzt oder umfrisiert, wobei jedes Auto ein gefälschtes Kennzeichen bekommt.

Neue Mitglieder werden von den erfahrenen “Jordanien-Kämpen“ in den Umgang mit Schusswaffen eingewiesen, so dass zu sehen ist, dass sich bereits eine Struktur entwickelt hat, die die Gruppe organisierter und stärker macht. Zur Probe werden schon zu dieser Zeit selbstgebastelte Bomben an Autos angebracht, um ihre Wirkung zu testen und sich für den Ernstfall vorzubereiten. Konspiration spielt in der Gruppe eine große Rolle, so erfährt jeder nur das, was er für seine jeweilige Aufgabe erfahren muss. Für schriftliche Aufzeichnungen werden beispielsweise Decknamen vergeben.

Das Geld soll per Banküberfall beschafft werden, was dann auch am 29.09.70 geschieht. An diesem Tag gelingt der Gruppe der raffinierte “Dreierschlag“, bei dem parallel drei verschiedene Banken von insgesamt 17 Mitgliedern der RAF ausgeraubt werden, und eine Beute von 217.000 Mark zusammen kommt, die in die “Kriegskasse“ fließt, um die weitere Phase des Aufbaus zu finanzieren. Auch sollen hieraus eventuelle Kosten für ein Gerichtsverfahren, eine weitere Befreiungsaktion und die Mietkosten vieler “konspirativer Wohnungen“ gezahlt werden.

Bereits eine Woche nach dem “Dreierschlag“ erhält die Polizei einen “konkreten“ Hinweis, der die Polizisten zu einer der vielen “konspirativen Wohnungen“ führt, in der sich das RAF-Mitglied Ingrid Schubert befinden soll. Außer ihr treffen die Beamten dort noch auf Horst Mahler, der momentane Kopf der Gruppe, Monica Berberich, Brigitte Asdonk und Irene Goergens, die alle eine Schusswaffe bei sich führen. Außerdem finden sie in der Wohnung sogenannte “Krähenfüße“, verschiedenste Autokennzeichen, gefälschte Papiere, Anschriften von Banken und deren Sicherheitssysteme sowie Vorarbeiten zur Herstellung von Bomben aus einem, wie von der Polizei bekannt gegeben wird hochexplosiven Gemisch und drei Ausgaben der “Terror-Fibel“ des Carlos Marighella.

Die Verhaftung der Fünf bedeutet einen erheblichen Einbruch in die Struktur der Gruppe, so dass man sich dazu entscheidet Horst Mahler mit Hilfe eines selbstgebauten “Mini-Hubschraubers“ aus der Haftanstalt Tegel zu befreien. Jedoch wird der Monteur Eric Grusdat vor der Fertigstellung am 03. Dezember 1970 festgenommen. Daraufhin verlassen Baader, Ensslin und Meinhof vorerst Berlin, um die Phase des Aufbaus weiterhin zu koordinieren, um eine “Welle des Terrors“ zu schaffen, die 17 Monate später, im Mai 72, über die BRD hereinbrechen sollte. Die eben genannte Epoche ist somit sehr naheliegend an die “Logistikformel“ angelehnt, die bereits um die Punkte Wohnungen und Pässe erweitert wurde.

In dieser Zeit werden über 280 Autos geklaut und 80 angemietet. Auch werden viele konspirative Wohnungen und Garagen im gesamten Bundesgebiet eingerichtet, von denen zwischen Anfang 71 und Herbst 72 46 Wohnungen und 10 Garagen von der Polizei entdeckt werden. Die Schwerpunkte werden in folgenden Städten gelegt:

  • 15 Wohnungen in Berlin
  • 11 Wohnungen in Hamburg
  • 5 Wohnungen in Stuttgart
  • 3 Wohnungen in Frankfurt

Es fanden sich in diesem Zeitraum ausreichend genug Bürger, die bereit waren einen RAF-Terroristen bei sich aufzunehmen, oder für ihre Zwecke eine Wohnung auf eigenen Namen anzumieten, jedoch nicht zu bewohnen, denn „Für sie, die sich zumeist als linke oder liberaldenkende Bürger verstehen, war es damals eine Art Gewissensfrage: Was würdest du tun, wenn Ulrike Meinhof vor deiner Tür steht und um Unterschlupf bittet?“ („Wie alles anfing“, Bommi Baumann, Frankfurt a.M. 1977)

Waffen werden von der “El-Fatah“- Organisation gekauft, oder mit gefälschten Papieren in Waffenläden besorgt. In Neustadt am Rübenberge, in der Nähe von Hannover, werden im Rathaus verschiedene Dienstsiegel, Stempel und Papiere, darunter 200 Blankoausweise, gestohlen. Es folgen mehrere Banküberfälle in Norddeutschland, von Januar bis August 1971, u.a. in Hannover, Kassel und Kiel, wobei über eine Million Mark erbeutet werden kann. Auch plant die RAF den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt zu entführen, wofür schon ein Versteck in der Eifel eingeplant war, jedoch kein Versuch unternommen wurde.

In Heidelberg entsteht eine Art “Rekrutierungsbecken“ für die RAF, da sich dort 300 Mitglieder des Sozialistischen Patienten Kollektivs (SPK), die sich „vom Staat krank gemacht fühlen“, ähnlich wie die RAF, für den Kampf im Untergrund vorbereiten. Nach einem Feuergefecht mit der Polizei, wird der führende Kopf des Kollektivs festgenommen, so dass sich viele Mitglieder nun der RAF anschließen.

Am 01. Februar 71 wird die “Sonderkommission Baader-Meinhof“, kurz SOKO B/M, eingerichtet, was von der “Welt“ kommentiert wird mit der Überschrift „Bonner Geheimpolizei jagt Staatsfeind Nummer 1“. „Über die Gründung der Baader-Meinhof Gruppe und ihre Organisationsstruktur liegen keine sicheren Erkenntnisse vor.“ („Der Baader Meinhof Komplex“, Stefan Aust, Hamburg 1986), wird am 19. Februar 1971 von der SOKO B/M notiert.

Die SOKO arbeitet in ständiger Absprache mit den regionalen Sonderkommissionen, so werden zehntausende Menschen überprüft und unzählige Wohnungen durchsucht, wobei ein Mann in Stuttgart von einem Polizisten erschossen wird, der bei einer Hausdurchsuchung die Tür voreilig wieder schließt. Das Nervenkostüm vieler Beamter ist freigelegt, da sich der Umgang mit dem Feind und dessen Aufspürung in vielerlei Hinsicht erschwert und Erfolge in der Ermittlungsarbeit eine Seltenheit bleiben.

In und um Hannover werden beispielsweise ganze Züge mit einem riesigen Aufgebot an Polizei nach RAF-Mitgliedern durchsucht, wobei es jedoch zu keinerlei Festnahmen kommt. Der neue BKA-Chef seit dem 01. September 71, Horst Herold, ordert den Politologen Willy Terstiege von der Freien Universität Berlins, um das „...unverständliche Deutsch der Terroristen den Polizeibeamten näher zu bringen“ („Der Baader Meinhof Komplex“, Stefan Aust, Hamburg 1986), was verdeutlicht wie unzureichend die Polizei auf ihren Feind vorbereitet war.

Terstiege bezeichnet die Mitglieder der RAF, als eine andere Art von Gesetzesbrechern, da sie eine ganze Bewegung mit Verstand repräsentiere. Daraus resultierte das Urteil des BKA-Chefs Herold „Wir dürfen den Verbrechern nicht mehr hinterherhinken, wir müssen Einsicht in sein Wesen nehmen, die Ursachen finden.“ („Der Baader Meinhof Komplex“, Stefan Aust, Hamburg 1986). Jedenfalls war das deutliche Bemühen der Einsatzkräfte zu bemerken, welches sich an der Zahl der Beschäftigten, die sich von 1971-81 verdreifachte, erkennen lässt.

Doch auch die Mitglieder der RAF scheinen sichtbar nervöser zu werden, so dass in der Zeit zwischen August 71 bis zum März 72 drei Polizisten erschossen werden. In diesem Zusammenhang werden mehrere Mitglieder von der Polizei festgenommen. Im Rahmen einer Großfahndung in Norddeutschland wird die zwanzigjährige Petra Schelm getötet. Auch in Augsburg wird das RAF-Mitglied, Thomas Weisbecker; von Polizeibeamten gestellt und auf den Versuch hin sich zu widersetzen erschossen.

Der innere Kern jedoch um den immer radikaler werdenden Baader kann sich versteckt halten, um weitere Vorkehrungen für die große Terrorwelle zu treffen. Die Rolle die Andreas Baader, von vielen als radikal bis skrupellos beschrieben, in der Gruppe hat, macht Meinhof mit der Aussage klar, dass Baader das ist „...was Fidel für Kuba, Che für Lateinamerika, Lumumba für Belgisch-Kongo, Ho für Vietnam, Marighella für Brasilien und Malcolm-X für die schwarzen [ist].“ („Lieber wütend als traurig- Die Lebensgeschichte der Ulrike Marie Meinhof“, Alois Prinz, Berlin 2003) ist.

So werden auch Drohungen von Baader, “Deserteure“ zu liquidieren, akzeptiert, da die Situation nichts anderes erlaube, wie die Mitglieder feststellen. Die Bevölkerungsbreite jedoch wendet sich immer mehr von der RAF ab, da die Brutalität und Rücksichtslosigkeit nun immer mehr überwiegt und es den Mitgliedern gleichzeitig schwerer macht sich von dem angefangenen abzuwenden. So kommt es dazu, dass Heinrich Böll einen Artikel verfasst, dessen Titel „Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?“ lautet. In ihm spricht Böll von dem „Krieg von 6 gegen 60 Millionen“, und ob es schon vergessen worden sei, was es bedeute aufgrund seiner Einstellung gegenüber dem Regime verfolgt und gejagt zu werden. Andreas Baader jedoch folgt entschlossen seinen bzw. den Weg der RAF mit den Worten „Erfolgsmeldungen über uns können nur heißen: verhaftet oder tot. Wir sind nicht auf der Flucht. Wir sind hier um den bewaffneten Widerstand gegen die Eigentumsordnung und die fortschreitende Ausbeutung des Volkes zu organisieren. Der Kampf hat erst begonnen“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991).

Ob das Volk die „Ausbeutung“ jedoch so bekämpfen wollte, wie es die RAF tat, stand nie zur Diskussion.


2.5 Offensive
Die „Welle des Terrors“, die im Mai 1972 über die Bundesrepublik hereinbricht, zielt in erster Linie auf die Solidarisierung linker und revolutioneller Vereinigungen, die auf die Anschläge folgen soll. Gerhard Müller und Dierk Hoff gelten als die “Bombenbastler“ der RAF, die sich um das beschaffen von Sprengstoff kümmern sollen, was für Müller jedoch im Gefängnis endet, da er kaum zwei Monate nach den ersten Anschlägen von der Polizei in Hannover gestellt wird.

Am 11. Mai ist es soweit. Der erste Bombenanschlag wird auf das Hauptquartier des V US-Corps in Frankfurt verübt, so dass ein Offizier stirbt und 13 Verletzte gemeldet werden. Das “Kommando Petra Schelm“ bekennt sich zu dem Anschlag, der als spontane Antwort auf die Verminung nordvietnamesischer Häfen zu verstehen sei, denn „Für die Ausrottungsstrategen von Vietnam sollen Westdeutschland und West-Berlin kein sicheres Hinterland mehr sein.“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991). Auch verrät der Name des jeweiligen Kommandos eine weitere Motivation für die begangene Tat.

Bei einem Bombenanschlag auf die Polizeistelle in Augsburg werden am 12. Mai zwei Beamte leicht verletzt. Noch am selben Tag detonieren vor dem Bayerischen Landeskriminalamt zwei Autobomben, die zehn Verletzte und 600.000 Mark Sachschaden verursachen. Das “Kommando Weisbecker“ erklärt für die Tat verantwortlich zu sein. Drei Tage später wird versucht, den Bundesrichter Wolfgang Buddenberg mit einer Autobombe zu töten, was jedoch fehlschlägt und seiner Frau schwere Verletzungen zufügt. Am 19. Mai werden im Hamburger Springer-Verlag, der trotz telefonischer Warnungen nicht evakuiert wird, zwei Rohrbomben deponiert, die bei ihrer Detonation 38 Menschen verletzen. Von diesem Anschlag distanziert sich die Gruppe im Stammheimprozess, da zu viele Unschuldige verletzt wurden.

Drei Tote und fünf Verletzte US-Soldaten fordern die Explosionen zweier Autobomben vor dem Militärkasino am 24. Mai, womit die traurige Bilanz von 4 Toten und 74 Verletzten durch insgesamt 11 Bomben innerhalb von zwei Wochen aufzustellen ist.

Am 31. Mai wird jeder Polizeibeamter der BRD direkt dem BKA unterstellt, da die Angst der Bevölkerung, besonders in Süddeutschland, sehr groß ist. So schreibt die HAZ in einem Artikel vom 28. Mai „Die Stuttgarter werden aufgefordert, ...von den Straßen wegzubleiben, die Fenster zu öffnen und in den Keller zu gehen“. Doch auch im Raum Hannover kommt es zu vielen Großfahndungen, die sich zumeist auf die Autobahnen und Ausfallstraßen beschränken, da etwa 25 Hinweise aus der Bevölkerung eingingen, die vermuten lassen, dass sich Stützpunkte der Bande im Raum Hannover-Hildesheim befinden sollen, wie die HAZ vom 2.Juni berichtet. „Zunächst ungläubig und skeptisch, dann jedoch mit spürbarer Erleichterung nahmen gestern Tausende von Hannoveranern auf den Straßen die Nachricht auf, dass es der Polizei...gelungen war den Kern der Baader-Meinhof Bande zu zerschlagen,...“ schreibt ebenfalls die HAZ vom 2. Juni, so dass zu erkennen ist wie wenig noch mit der RAF sympathisiert wurde, da die Terrorwelle viele Bundesbürger in Schrecken versetzte.

Die Rede des hannoverschen Soziologen Oskar Negt am 2. Juli desselben Jahres, verdeutlicht die Position vieler, zum Teil von der RAF enttäuschte und schockierte Bürger. So ruft er die Linke zur „...konsequenten Entsolidarisierung mit der RAF.“ auf, und merkt an, dass die noch gesuchten RAF-Mitglieder ohne aktive Unterstützung aus der Bevölkerung keine Möglichkeit haben sich versteckt zu halten, um „weiter zu morden“. Zwei Wochen darauf wird Ulrike Meinhof von einem hannoverschen „Unterschlupfanbieter“ verraten und von der Polizei verhaftet. Andreas Baader, Jan Carl Raspe und Holger Meins werden am 1. Juni in Frankfurt nach einer Schießerei, bei der Baader angeschossen wird, verhaftet. Gudrun Ensslin wird zwei Wochen darauf in Hamburg festgenommen, und auch andere Mitglieder werden Berlin, Frankfurt, Stuttgart und Offenbach verhaftet. Horst Mahler kommentierte die Verhaftungen mit folgenden Sätzen „Das was bisher geleistet wurde ist enorm, und das ist erst der Anfang“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991).


2.6 Stammheim
16 Millionen Mark kostete der Bau der “Mehrzweckhalle“ von Stammheim, welche in jenen Tagen des Prozesses jedoch mehr einem Hochsicherheitstrakt ähnelte. Alle RAF-Gefangene kommen in die schwer in der Kritik stehenden “Isolierhaft“, „Es ist ein Konflikt entstanden, der einfach nicht lösbar war - zwischen der Sicherheit und der Gerechtigkeit."(Peter Doebels, NP, Datum unbekannt). Diese Maßnahme bedeutet, dass ihnen alle zwei Wochen eine Besuchszeit von einer halben Stunde zusteht und jeglicher Kontakt zueinander verhindert wird. „Besuche hinterlassen nichts. Eine halbe Stunde danach kann man nur noch mechanisch rekonstruieren, ob der Besuch heute oder vorige Woche war“ („Lieber wütend als traurig- Die Lebensgeschichte der Ulrike Marie Meinhof“, Alois Prinz, Berlin 2003).

Gegen diese Haftbedingungen versuchen sich die Gefangenen zu wehren, indem sie Ende 72 mit dem ersten Hungerstreik beginnen, um Haftverbesserungen zu erlangen. Auf das Versprechen der Bundesanwaltschaft bei Beendigung des Hungerstreiks die Haftbedingungen zu verbessern, wird dieser beendet, das Versprechen jedoch nicht eingehalten. Über das von Ensslin entwickelte Info-System, Nachrichten an die Mitgefangenen über die Verteidigerpost zukommen zu lassen, wird der zweite Hungerstreik eingeleitet, der vom 08.05.73- 29.06.73 reicht.

Somit tritt das erste Mal das Mittel der “Zwangsernährung“ in Kraft, welche von den RAF-Anwälten, darunter auch Otto Schily, als „...bewusste Quälerei und sadistische Folter“ bezeichnet wird. "Es ist ein Konflikt entstanden, der einfach nicht lösbar war - zwischen der Sicherheit und der Gerechtigkeit." Holger Meins beschreibt den Vorgang der “Zwangsernährung“ in folgenden Sätzen:

„Festschnallen, zwei Handschellen um die Fußgelenke, ein 30 Zentimeter breiter Riemen um die Hüfte, linker Arm mit vier Riemen vom Handgelenk bis zum Ellenbogen... von rechts der Arzt auf'n Hocker mit 'nem kleinen "Brecheisen". Damit geht er zwischen die Lippen, die gleichzeitig mit den Fingern auseinandergezogen werden, und dann zwischen die Zähne und hebelt die auseinander. Sowie die Kiefer weit genug auseinander sind, klemmt, schiebt, drückt der Sani von links die Maulsperre zwischen die Zähne... Verwendet wird ein roter Magenschlauch, mittelfingerdick“.

Da nur leichte Haftverbesserungen zu erkennen sind wird ein weiterer Hungerstreik organisiert, der am 27. August 74 beginnt, ohne Beteiligung Mahlers, der sich von der Gruppe distanziert. Am 09. November stirbt Holger Meins an den Folgen des Hungerstreiks, was Protestdemos in der ganzen BRD auslöst. So wollen Sympathisanten der RAF einen Tag nach dem Tod Meins den obersten Richter Berlins, Günter von Drenkmann entführen, der bei einem Handgemenge jedoch erschossen wird „Wir weinen dem toten Drenkmann keine Träne nach. Wir freuen uns über eine solche Hinrichtung. Diese Aktion war notwendig, weil sie jedem Justiz- und Bullenschwein klargemacht hat, dass auch er - und zwar heute schon - zur Verantwortung gezogen werden kann.“ (Kommentar der RAF-Gefangenen zu dem Mord).

Bis zum 02. Februar 75 reicht der 3.Hungerstreik, da nun erhebliche Verbesserungen der Haft zu sehen sind, die eine Isolation ausschließen. So können die Häftlinge nun mehrere Stunden pro Tag miteinander sprechen und tägliche Besuche der Anwälte zur Vorbereitung des Prozesses erhalten. Am 25 April 75 besetzt ein RAF-Kommando die deutsche Botschaft in Stockholm und nimmt 11 Geiseln. Da der Forderung, 26 RAF-Mitglieder aus Gefängnissen freizulassen, darunter auch die Stammheim-Häftlinge, nicht nachgekommen wird, werden zwei Geiseln erschossen. Vermutlich zündeten die Sprengsätze der Geiselnehmer aus Versehen, so dass einer von ihnen getötet und die restlichen Personen, die sich in dem Gebäude befinden, zum Teil schwer verletzt werden.

Der erste Tag der Gerichtsverhandlung folgt am 21. Mai, knapp drei Jahre nach den Verhaftungen. Am fünften Verhandlungstag, einen Monat nach Beginn des Prozesses, beantragen die RAF-Anwälte eine Unterbrechung des Verfahrens, da die Angeklagten aufgrund der Haftbedingungen verhandlungsunfähig seien. Ohne genauere Untersuchungen des Zustandes der Angeklagten, wird der Antrag abgelehnt, bis das Urteil am 23. November aufgehoben wird, da einige unabhängige Ärzte eine geringe Verhandlungsunfähigkeit bestätigen. Zu diesem Zeitpunkt jedoch sind bereits die Angeklagten Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe von der Verhandlung ausgeschlossen.

Ulrike Meinhof wird am 09. Mai 76 tot in ihrer Zelle aufgefunden. Sie soll sich erhängt haben, lautet das Urteil der Justizvollzugsbeamten, wobei ein Experiment jedoch ergibt, dass das Seil, an dem sie gehangen haben soll, bei der Belastung gerissen wäre. So bleibt ihr Tod bis heute unaufgeklärt, und es kursieren die wildesten Gerüchte, so dass es fatal wäre ohne ernstzunehmende Beweise Behauptungen aufzustellen. Daraufhin wird der Generalbundesanwalt Siegfried Buback in seinem Auto mit zwei Leibwächtern von dem “Kommando Ulrike Meinhof“ erschossen.

Der Tag 171 der Verhandlung, am 10. Januar 77, ist der letzte an dem die Angeklagten den Saal betreten. Auch der Antrag der Anwälte das Verfahren auszusetzen, da in 7 Zellen der RAF-Häftlinge Wanzen vom BND und Verfassungsschutz versteckt wurden, wird abgelehnt. Die Urteilsverkündung am 192. Tag des Prozesses lautet: lebenslange Haftstrafen für die Angeklagten Baader, Ensslin und Raspe. Doch auch zu diesem Zeitpunkt findet die Spirale der Gewalt zu keinem Ende. Verschiedene Versuche finden statt, um die Verurteilten freizupressen:

  • Der Bankier Jürgen Ponto wird ermordet
  • Der Versuch scheitert die Bundesanwaltschaft mit einem selbstgebauten Raketenwerfer zu beschießen
  • Entführung und anschließende Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer
  • Entführung der “Landshut“ durch ein palästinensisches Terrorkommando und die anschließende Befreiung durch das neu gegründete Spezialteam die GSG9

Am 18. Oktober 1977 endet dann das “Kapitel der ersten Generation“ der RAF mit den voneinander unabhängigen Selbstmorden der Inhaftierten Baader, Ensslin und Raspe, die wie Meinhofs Tod Zweifel aufwerfen. Das Sonderheft des “Stern“ vom 10.10.02 behauptet beispielsweise „...dass es ein [vom Staat] geduldeter Selbstmord war“.


3. Reflexion
Der Arbeitsprozess zeigte sich mir schwieriger als erwartet. Meinen lokalgeschichtlichen Bezug wollte ich durch Stellungnahmen der hannoverschen Presse, sowie durch Aussagen Peter Brückners und Oskar Negts decken, da die Spuren der RAF hauptsächlich in den Städten Berlin, Frankfurt und Stuttgart zu finden sind. Das in dem Pressearchiv jedoch ausschließlich vereinzelte Zeitungsartikel zur Verfügung standen ermöglichte mir nicht zu selbst ausgewählten Ereignissen passende Artikel zu finden. Auch konnte mir die Ausstellung im historischen Museum keinen regionalen Bezug aufweisen, den ich hätte konkretisieren können. So habe ich mich auf einzelne Zeitungsartikel gestützt sowie auf einen Ausschnitt einer Rede Oskar Negts, da auch die vorhandene Literatur Negts und Brückners keinen direkten Bezug zur RAF darstellt.

Aufpassen musste ich, nicht etwa heimliche Sympathie einfließen zu lassen, die sich während des Arbeitsprozesses entwickelte, jedoch zum Ende hin wieder abflachte. Die Geschichte der RAF mit dem historischen Kontext zu verbinden, um die Motivation herauszuarbeiten, machte ich mir zu meiner Aufgabe, da nur so verständlich oder unverständlich werden konnte, was die Leute da eigentlich gemacht haben und aus welchen Gründen. Über Gespräche mit meinen Eltern konnte ich sehen, was gründlicher herausgearbeitet werden musste, um den Zusammenhang der einzelnen Phasen und ihre Bedeutung für die RAF verstehen zu können.

Jetzt wo ich fertig bin, muss ich mir “eingestehen“, dass es so mühselig wie ich mir vorgestellt habe nicht war, da die Geschichte der RAF nicht bloß eine chronologische Zusammenstellung ist. Vielmehr haben die vielen Zitate der Beteiligten ihre Motivation bzw. ihr politisches Engagement verdeutlicht, was Menschen unmenschlich handeln lässt.


4. Zeittafel

  • 02.04.68
    Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein legen in Frankfurt Feuer in zwei Kaufhäusern, aus Protest gegen Vietnamkrieg
  • 03.04.68
    Brandstifter werden verhaftet, drei Jahre Gefängnis lautet das Urteil, werden nach 9 Monaten auf freien Fuß gesetzt, fliehen nach Paris
  • Frühjahr 70
    Ihr ehemaliger Anwalt Mahler holt Baader und Ensslin nach Berlin zu Meinhof
  • 04.04.70
    Baader wird durch den V-Mann Peter Urbach verhaftet
  • 14.05.70
    „Baader-Befreiung“ durch Ensslin, Meinhof und anderen, Geburtsstunde der RAF
  • Juni-August 70
    Militärausbildung in einem Palästinenser-Camp der militanten “El-Fatah“ -Organisation in Jordanien für 20 Berliner, darunter auch der entstehende Kern um Baader, Ensslin, Meinhof und Mahler
  • 29.09.70
    „Dreier-Schlag“, Überfall auf drei Banken mit einer Beute von über 200.000 Mark
  • 08.10.70
    Festnahmen von Mahler, Schubert, Goergens und Asdonk
  • 15.01.71
    Zwei Banküberfälle, Beute 110.000 Mark
  • 01.09.71
    Horst Herold wird BKA-Chef, Einsatz von höchster EDV-Technik
  • 22.10.71
    Zivilfahnder Norbert Schmid wird in Hamburg erschossen
  • Dezember 71
    Die RAF hält sich überwiegend in Berlin auf, Großfahndung, Kern der Gruppe setzt sich nach Frankfurt ab
  • 11.05.72
    Bombenanschlag auf 5.Millitärkorp der US-Armee, 13 Verletzte 1 Toter
  • 15.05.72
    Anschlag auf Bundesrichter Buddenberg, seine Frau erhält schwere Verletzungen
  • 19.05.72
    Zwei Bomben detonieren in einem Gebäude des Springer-Verlags, 17 Verletzte
  • 24.05.72
    Detonation von Autobomben vor US-Kaserne in Heidelberg, 3 Tote und 5 Verletzte
  • 31.05.72
    Größte Fahndung der Geschichte in BRD wird eingeleitet
  • 01.06.72
    Verhaftung von Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe in Frankfurt
  • 07.06.72
    Verhaftung von Gudrun Ensslin in Frankfurt
  • 15.06.72
    Verhaftung von Ulrike Meinhof in Hannover-Langenhagen
  • Ende 1972
    Hungerstreik der RAF Gefangenen wegen Isolationshaft und ungenügender Haftbedingungen, Zusagen einer Verbesserung werden von der Bundesanwaltschaft nicht eingehalten
  • 08.05.73-29.06.73
    2. Hungerstreik, umstrittene Mittel der Zwangsernährung kommt zum ersten Mal zum Einsatz, leichte Haftverbesserungen
  • 27.08.74
    Beginn des 3. Hungerstreiks
  • 09.11.74
    Holger Meins stirbt an den Folgen des Hungerstreiks
  • 10.11.74
    Der höchste Richter Berlins Günter von Drenkmann wird bei einem Entführungsversuch erschossen, RAF-Gefangene sympathisieren mit dieser Aktion
  • 02.02.75
    Ende des Hungerstreiks, erhebliche Verbesserungen der Haftbedingungen: fast alle RAF-Gefangenen wurden nach Stammheim verlegt, Aufhebung der totalen Isolation
  • 25.04.75
    Besetzung der deutschen Botschaft in Stockholm durch das "Kommando Holger Meins", Forderung nach Freilassung von 26 Gefangenen, darunter auch Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe; aus Versehen explodiert der installierte Sprengstoff, insgesamt 3 Tote und mehrere Verletzte
  • 21.05.75
    Prozessbeginn in Stammheim gegen Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe
  • 09.05.76
    Tod Ulrike Meinhofs durch Erhängen
  • 07.04.77
    Generalbundesanwalt Siegfried Buback wird durch das "Kommando Ulrike Meinhof" ermordet
  • 28.04.77
    Prozessende: Baader, Ensslin und Raspe werden zu lebenslanger Haft verurteilt
  • 30.07.77
    Bankier Jürgen Ponto wird bei einem Entführungsversuch in seinem Haus von Brigitte Mohnhaupt erschossen
  • 05.09.77
    Arbeitgeberpräsident Hans-Martin Schleyer wird durch das "Kommando Siegfried Hausner" in Köln entführt; Forderungen des Kommandos: Freilassung der RAF-Gefangenen
  • 13.10.1977
    Unterstützung von militanten palästinensischen Terroristen, durch die Entführung der Lufthansamaschine "Landshut"
  • 18.10.1977
    Die GSG 9 befreit die Geiseln aus der "Landshut", Baader, Raspe und Ensslin begehen Selbstmord
  • 19.10.1977
    Hans-Martin Schleyer wird erschossen


5. Kurzbiographien:

Ulrike Meinhof:

  • 1934
    Am 7.Oktober wird Ulrike Meinhof in Oldenburg als Tochter eines Kunsthistorikerehepaares geboren
  • 1939
    Tod ihres Vaters Dr. Werner Meinhof
  • 1936
    Besuch eines Gymnasiums in Oldenburg
  • 1948
    Ihre Mutter Dr. Ingeborg Meinhof stirbt, mit ihrer älteren Schwester kommt sie zu einer Bekannten der Familie
  • 1955/56
    Nach dem Abitur fängt sie in Marburg die Fächer Philosophie, Pädagogik, Soziologie und Germanistik an zu studieren
  • 1957
    Studienortwechsel an die Universität Münster, wird dort Sprecherin des „Anti Atomtod-Ausschusses“, der mit dem SDS verbunden war
  • 1958
    Beitritt zum SDS, wo sie Artikel für studentische Zeitungen verfasst, Anti-Atomwaffen-Veranstaltungen, -Unterschriftensammlungen, -Märsche und Protestdemonstrationen organisiert
  • 1959
    Aufgrund eines Artikels in der Zeitschrift „Konkret“ wird sie aus dem SDS ausgeschlossen
  • 1960-64
    Chefredakteurin der Hamburger Zeitschrift „Konkret“
  • 1961
    Heirat mit dem Herausgeber der Zeitschrift Klaus-Rainer Röhl
  • 1962
    Geburt ihrer Zwillinge
  • 1964
    Rückzug aus der redaktionellen Tätigkeit der Zeitschrift „Konkret“, nur noch gelegentliche Artikel
  • 1965
    600 Mark Geldstrafe, da sie den CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß als „Infamsten Politiker Deutschlands“ bezeichnet
  • 1968
    Nach immer heftiger werdenden politischen Differenzen um den Inhalt der Zeitschrift kommt es sowohl privat als auch beruflich zum Bruch mit ihrem Ehemann Klaus Rainer Röhl, Meinhof zieht von Hamburg nach Berlin und arbeitet dort als Journalistin
  • 1969
    Beendigung der Mitarbeit an der Zeitschrift „Konkret“ wegen inhaltlicher Differenzen
  • 1969/70
    Lehrbeauftragte an der Freien Universität Berlin


Gudrun Ensslin:

  • 1940
    Gudrun Ensslin wird am 15.August in Bartholomä als viertes von sieben Kindern geboren, ihr Vater ist Pfarrer, so dass sie sehr christlich erzogen wird
  • 1959
    Abitur in Stuttgart
  • 1960-64
    Studium der Germanistik, Anglistik und Philosophie in Tübingen
  • 1962
    Lernt ihren zukünftigen Verlobten Bernward Vesper kennen
  • 1964
    Beide gehen an die Freie Universität nach Berlin, dort engagiert sie sich für die SPD und schreibt Wahlkampfreden bis sie sich 1967, enttäuscht von der großen Koalition, von ihr abwendet
  • 1967/68
    Auf die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg fordert Ensslin eine gewaltsame Antwort vom SDS auf die Gewalt des Staates, Geburt ihres Sohnes und Bekanntschaft mit Andreas Baader, mit dem sie wenige Monate später die Kaufhäuser anzündet


Andreas Baader:

  • 1943
    Geburt am 6.Mai in München, wo er mit seiner Mutter, Tante und Oma aufwächst, die ihn als „jemand der keinem Streit aus dem Weg geht- solange er glaubt die Auseinandersetzung für sich entscheiden zu können“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991) beschreiben
  • 1953
    Hat Schwierigkeiten mit seinen Lehrern, Schule läuft alles andere als problemlos, Schulwechsel
  • 1956
    Besuch eines Internats in Königshofen, aus dem er jedoch öfters abhaut, Wechsel an eine Privatschule in München, dann an eine private Kunstschule 
  • 1962
    „Schwabinger Krawalle“ (ausgelöst durch drei musizierende Studenten-ausgeartet in 3-tägige Straßenschlacht mit Polizei) sind für ihn ein Schockerlebnis; „Weißt du, Mutter, in einem Staat, wo die Polizei mit Gummiknüppeln gegen singende junge Leute vorgeht, da ist etwas nicht in Ordnung“ („RAF“, Butz Peters, Stuttgart 1991)
  • 1963
    Kommt ohne Abitur nach Berlin, knüpft Kontakte zur „Kommune I“, fällt auf, weil er bei Diskussionen „dazwischen mault“
  • 1968
    Trennung von seiner Freundin mit der er ein Kind hat, lernt Gudrun Ensslin kennen, durch sie entwickelt er immer stärkeres politisches Engagement und überzeugt sie von revolutionellen Veränderungen


Horst Mahler:

  • 1936
    Wird in Haynau am 23.Januar geboren, Vater Zahnarzt
  • 1949
    Umzug nach West-Berlin, wo er später an der Freien Universität Berlin Jura studiert
  • 1960
    Bekennt sich zum SDS, wird daraufhin aus der SPD ausgeschlossen
  • 1964
    Gründung einer Anwaltskanzlei in Berlin
  • 1967
    Mitbegründer des „Republikanischen Clubs“, eines der Zentren der APO
  • 1968
    Gründung eines „sozialistischen Anwaltskollektivs“, spezialisiert auf die Verteidigung junger Linker, wie auch die Brandstifter von 1968 Baader, Ensslin, Söhnlein und Proll 

 

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