Portugal (amtl. Republica Portuguesa) - Standortfaktoren und Zukunftsperspektiven

Schlagwörter:
Arbeitskraft, Arbeitskosten, Absatzmarkt, Agglomerationen, Rohstoffe, Infrastruktur, Referat, Hausaufgabe, Portugal (amtl. Republica Portuguesa) - Standortfaktoren und Zukunftsperspektiven
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Referat

Portugal: Referat über Portugal


Einleitung
In folgender Zusammenfassung soll unter besonderer Berücksichtigung ausgewählter Standortfaktoren der Industriestandort Portugal sowie dessen Zukunftsperspektiven näher betrachtet werden.

Als Einleitung dazu dienen allgemeine Daten und einige geschichtliche Hintergrundinformationen, die bei der späteren Betrachtung des Industriestandorts Erklärungshilfen bieten.

Portugal befindet sich am äußersten Südwestzipfel Europas auf der iberischen Halbinsel. Die Fläche des Landes beträgt 92 300 qkm (vgl. BRD: 360 000 qkm). Es leben dort 10,3 Millionen Menschen, davon 9,35 Millionen auf dem Festland. Daraus folgt die durchschnittliche Einwohnerzahl von 108 Einwohnern pro qkm (vgl. BRD: 224 Einw. /qkm). Seit 1974 herrscht eine parlamentarische Demokratie. Die vorangegangene diktatorische Präsidentschaft unter Salazar führte unter anderem zu einer Abkapselung vom Ausland und zu einer protektionistischen Industriepolitik (Schutz alter Industrien, restriktive Genehmigungsverfahren für ausländische Investoren, Zollbarrieren) und zu einem bis heute sichtbaren wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsrückstand.

Die Ein - und Auswanderungszahlen, die vor allem in den sechziger Jahren (Gastarbeiteremigration) und in den achtziger Jahren (Remigration der Gastarbeiter und Immigration von Afrikaportugiesen) eine problematische Größe in Bezug auf den Arbeitsmarkt und soziale Situation Portugals annahmen, kann man heute vernachlässigen (1,0 bis 1,1% a. d. Gesamtbevölkerung).


Standortfaktoren

Lage
Die sehr periphere Lage Portugals innerhalb Europas sowohl in Nord - Süd -, als auch in Ost - West - Richtung stellt den größten Standortnachteil dar. Lange Transportwege zu den wichtigen Absatzmärkten in Mitteleuropa erhöhen die Kosten und verlängern den bedeutenden Faktor Lieferzeit stark. Man hoffte durch den Eintritt in die Europäische Gemeinschaft 1986 die Nachteile der isolierten Lage durch die Einbindung in dieses Bündnis abbauen zu können.

Infrastruktur
Die Infrastruktur Portugals befindet sich unter dem Niveau des EU - Durchschnitts. Es sollen im folgenden die für die Betrachtung eines Industriestandorts wichtigsten infrastrukturellen Indikatoren, das Verkehrsnetz, das Kommunikationswesen und die Energieversorgung, betrachtet werden.

  • Verkehrsnetz
    • Das Verkehrsnetz nimmt innerhalb der Infrastruktur Portugals aufgrund der oben genannten nachteiligen Lage einen hohen Stellenwert ein.
    • Die für den Güterverkehr wichtigsten Verkehrsanbindungen sind die beiden größten internationalen Häfen Portugals, Lissabon und Porto. Ihr Stellenwert innerhalb der größten Häfen der EU (z.B. Rotterdam, Hamburg) ist jedoch verhältnismäßig gering.
    • Es wird seit einigen Jahren mit EU - Hilfen versucht, das Straßen - und Schienennetz auf den Standard der EU zu bringen. Fernstraßen führen lediglich von Lissabon nach Porto und von Lissabon in östliche Richtung nach Madrid.
    • Für den (Personen -)Transport ins weiter entfernte Ausland stehen in erster Linie die internationalen Flughäfen von Lissabon, Porto und Faro zur Verfügung.
  • Kommunikationswesen
    • Im Kommunikationswesen nimmt Portugal eine fortschrittliche Stellung ein. Das Telefonnetz ist weitgehend digitalisiert. Das Mobiltelefon deckt fast das gesamte Land ab (85% d. Bev. können theoretisch erreicht werden) und hat in den letzten Jahren eine unerwartet große Verbreitung gefunden.
  • Energieversorgung
    • Die Energiekosten sind gemessen am Durchschnittseinkommen relativ hoch. Die Versorgung hat sich in den letzten Jahren jedoch stark verbessert. Der Sektor steht offen für private Investitionen, und auch die Privatisierung der noch staatlichen Energieunternehmen ist vorgesehen.


Rohstoffe
Bis auf geringe Vorkommen von Stahlveredlern (z.B. Wolfram, Nickel) im Norden und Nordwesten des Landes findet man sonst keine Rohstoffe vor. Portugal ist von Rohstoffimporten abhängig. Dies sind Gründe für die schwach entwickelte Schwerindustrie (ledigl. ein Stahlerzeugungsstandort bei Lissabon). Folgeindustrien, wie zum Beispiel der Maschinenbau, sind deshalb ebenfalls schwach entwickelt.


Agglomerationen
Unter diesem Punkt sollen die vorhandenen Industrien, deren Lage sowie die Auswirkungen, die diese Faktoren mit sich bringen, näher betrachtet werden. Im primären Sektor, in dem 11,5% der erwerbstätigen Bevölkerung beschäftigt sind, (EU : 5,8%) spielt die Forstwirtschaft eine große Rolle. Dadurch läßt sich die überdurchschnittlich große Beschäftigtenzahl im produzierenden Gewerbe bei der Be -und Verarbeitung von Holz mit 6% (BRD: 3%) erklären.

Die Beschäftigtenzahl im sekundären Sektor beträgt 32,6% (EU: 32,8%). Die größten Anteile befinden sich im Textil - und Bekleidungsbereich mit ca. 20% der Beschäftigten. In der Nahrungsmittelindustrie sind ca. 10%, in den übrigen Bereichen wie Maschinenbau, Chemie, Elektrotechnik ca. 5% beschäftigt. Diese Zahlen verdeutlichen eines der größten wirtschaftlichen Probleme Portugals, den sehr starken Anteil wenig innovativer Industrien. Man versucht, sich in diesen Bereichen zu spezialisieren und dadurch wettbewerbsfähig zu bleiben. High Tech - Industrien sind kaum vorhanden, das ist unter anderem auf die mangelnde eigene Forschungsarbeit zurückzuführen.

Es bestehen bei der räumlichen Verteilung der Industriestandorte große regionale Disparitäten. Lissabon und Porto stellen die einzigen Wirtschaftszentren dar. Da diese Zentren weitere
Industrieunternehmen anziehen, ist eine gegenläufige Entwicklung, das heißt die stärkere Ansiedlung außerhalb dieser Zentren, nicht zu erwarten. Es wird deshalb versucht, zum Beispiel durch den Ausbau der Verkehrsachse Lissabon - Porto Unternehmen zwischen diesen beiden Zentren Anreize zur Niederlassung zu bieten.

Die Beschäftigtenzahl im tertiären Sektor beträgt 56% (EU 69,4%). Hier stellt sich ebenfalls die gleiche Problematik der regionalen Disparitäten dar. Das Dienstleistungszentrum Portugals ist Lissabon. Die meisten portugiesischen Unternehmen haben dort ihren Hauptsitz, außerdem ist der Standort für Investoren aufgrund des Absatzmarktes attraktiv. Die Algarve im Süden des Landes ist eines der wenigen wachsenden Dienstleistungszentren. Der Wachstumsmotor hier ist der Tourismus.


Absatzmarkt
Portugal stellt mit seinen rund 10 Mio. Einwohnern keinen großen Absatzmarkt dar. Auch das benachbarte Spanien reicht als Zusatzmarkt nicht aus, so daß hauptsächlich für den Export
in EU - Staaten produziert wird (siehe 2.0 Investitionen ).


Arbeitskraft / Arbeitskosten
Die niedrigen Lohn - und Lohnnebenkosten stellen den größten Standortvorteil Portugals dar. Sie sind der Hauptgrund für die wachsenden Investitionen, den Aufschwung der letzten Jahre und die damit verbundene mit 1995 7,2% (EU: 10,6%) vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquote. Eine Industriearbeitsstunde kostet nur ca. ein Fünftel einer deutschen. Dies ist u.a. auf die durchschnittlich niedrige Arbeitsproduktivität zurückzuführen. Sie beträgt nur rund ein Drittel der deutschen. Dieser niedrige Wert liegt vor allem am jahrelangen Schutz veralteter Industrien und Produktionsmethoden und gilt so für Neugründungen oder Niederlassungen ausländischer Unternehmen nicht. Ein weiterer Vorteil sind die durchschnittlich geleisteten Sollarbeitsstunden eines Industriearbeiters im Jahr. In Portugal beträgt die Zahl 1900 Stunden, in Deutschland sind es 20% weniger Stunden. Außerdem herrschen in Portugal sehr flexible Arbeitszeiten. Genehmigungen für die Wochenend -, Nacht - oder Feiertagsarbeit sind relativ unbürokratisch erhältlich. Alle diese Fakten ermöglichen aufgrund längerer Maschinenlaufzeiten eine höhere Produktion und Produktivität.

Ein Rechenbeispiel 1) verdeutlicht, daß man als Investor auch zukünftig mit diesem wichtigstem Standortvorteil rechnen kann:

Sollten sich, was unrealistisch ist, die Produktivität und die Löhne in Portugal Jahr für Jahr um 5% real erhöhen, so müßten 10 Jahre vergehen, bis sich das Gehaltsniveau von 25% auf 40,7% an das deutsche Niveau angenähert hätte. Tatsächlich wird der Prozeß erheblich langsamer verlaufen, denn auch in Deutschland bleibt die Produktivität nicht auf dem heutigem Niveau.

Das Streikproblem ist in Portugal ebenfalls nicht vorhanden. Das liegt daran, daß zum einen kein Streikgeld gezahlt wird, zum anderen sind die meisten Arbeiter froh, eine Stelle zu haben, da die Arbeitslosenhilfe niedrig ist. Das Arbeitskräftepotential in der Industriebranche ist ebenfalls ausreichend.


Investitionen
Mit dem EU - Beitritt Portugals 1986 erhöhte sich die Anzahl der Investoren, die sich durch den Beitritt zum einen eine stabilere politische, zum anderen eine verbesserte wirtschaftliche Lage erhofften.

Der Hauptgrund für eine Investition in Portugal sind die verlockend niedrigen Lohn - und Lohnnebenkosten. Die Fördermittel der EU (1993: 3 MRD. DM für Infrastruktur) gingen in den letzten Jahren zum größten Teil nach Lissabon und Porto. Dies führte zu noch größeren regionalen Disparitäten. Im Gegensatz zu den 70er Jahren, in denen die ausländischen Investitionen hauptsächlich in den sekundären Sektor gingen, investieren seit Ende der 80er ausländische Firmen verstärkt in den tertiären Sektor.

Vom Jahr 1982 bis heute stiegen die von den Ausländern investierten Mittel in den tertiären Sektor um das 30fache an. Lissabon (Agglomerationsvorteil) erhält allein ¾ aller Investitionen, das verbleibende Viertel der Investitionen geht zum größten Teil nach Porto. Sowohl durch die Fördermittel als auch durch die dadurch verstärkten Investitionen vergrößern sich die regionalen Disparitäten in Portugal. Porto und vor allem Lissabon profitieren von der EU - Fördermittelpolitik und die damit automatisch geförderten ausländischen Investitionen

1960 wurden 37% der Industrieproduktion in EU - Länder exportiert,
1992 waren es 75%. Dies verdeutlicht, wie stark Portugal vom Export
abhängig ist. Das Hauptzielland der Exporte ist mit 19% die BRD, gefolgt von Frankreich mit 15% und Spanien mit 14%. 1)

Die Investoren in Portugal kommen ebenfalls hauptsächlich aus den EU - Staaten, wobei das führende Land bei den Investitionen Spanien ist. Fast die gesamte Produktion durch ausländische Firmen ist für den Export bestimmt. Als typisches Beispiel hierfür können die beiden Autokonzerne Volkswagen und Ford genannt werden. Beide produzieren in Kooperation
in Portugal Großraumlimousinen (VW: Sharan; Ford: Galaxy), wobei 99% der Produktion für den Export bestimmt ist.

Für die Produktion der Produktionsanlagen erhalten die beiden Autohersteller 30% Beihilfen durch die EU und den Staat. Deutsche Unternehmen beschäftigen rund 55 000 Arbeitnehmer
in Portugal, das sind mehr als ein Prozent der portugiesischen Beschäftigten.


1) Caroline Gutberlet, Fischer Weltalmanach
97 ' , Frankfurt am Main 1996


Zukunftsperspektiven
Portugals wirtschaftlicher Aufschwung in den letzten Jahren ist in erster Linie auf die niedrigen Lohn -, und Lohnnebenkosten zurückzuführen. Mit der Öffnung der Märkte im Osten Europas kommt auf Portugal große Konkurrenz zu. Die Lohnkosten liegen in den ehemaligen Ostblockstaaten noch unter denen in Portugal. Industriestandorte in diesen Ländern haben den Vorteil der besseren Lage gegenüber Portugal. Das Land kann sich deshalb also nicht nur auf den niedrigen Lohnkosten und den EU - Hilfen ausruhen. Es ist dringend notwendig, innovative Unternehmen und nicht in erster Linie "verlängerte Werkbänke" ins Land zu bekommen. Dazu sind große Investitionen in die Bildung und in die Forschung notwendig. Auch sollte man maßvoll mit Lohnerhöhungen umgehen und den Unternehmen weiterhin Vergünstigungen bieten. Niedrige Lohnkosten reichen auf lange Sicht nicht als Garant für stabile wirtschaftliche Verhältnisse aus. Das Problem der großen regionalen Disparitäten kommt im Fall Portugal auch noch hinzu.


Literaturangabe:

  • Toni Breuer, "Spanien und Portugal auf dem Weg von der Agrar- zur Industriegesellschaft", in: Geographische Rundschau , Jahrgang 47, Heft 5, Mai 1995, Seite 266 ff.
  • Deutsch - Portugiesische Industrie - und Handelskammer " Industriestandort Portugal",Internetbeitrag (http://www.ahk-germany.de/ahklis/ahklis2.htm) vom 29.02.1996
  • Bodo Freund, "Portugals Industrie in der westeuropäischen Arbeitsteilung, Branchenspektrum und Standortstrukturen eines Niedriglohnlandes", in: Geographische Rundschau , Jahrgang 47, Heft 5, Mai 1995, Seite 284 ff.
  • Caroline Gutberlet, Fischer Weltalmanach 97, Frankfurt am Main 1996
  • Peter Weber, "Lissabon, Wiederaufbau des Chiado und die kommerzielle Umstrukturierung der portugiesieschen Metropole", in: Geographische
  • Rundschau , Jahrgang 47, Heft 5, Mai 1995, Seite 277 ff. 

 

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