Kafka, Franz - Vor dem Gesetz (Interpretation der Parabel)

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Referat

Franz Kafka - Vor dem Gesetz (Interpretation der Parabel)


Franz Kafka, der 1883 geboren wurde, zählt zu den wichtigsten Autoren in der deutschen Geschichte. Zu seinen Werken, die auch für die Weltliteratur von großer Bedeutung sind, lassen sich oft parallelen zu seinen Erfahrungen seiner Kindheit ziehen, die sein gesamtes Leben prägte. Kafka, der als einziger Sohn einer jüdischen Familie geboren wurde, „genoss“ die daraus resultierenden Privilegien. Seine Eltern waren sehr am materiellen Erfolg orientiert und ermöglichten Kafka eine fundierte Schulausbildung. Auf Wunsch des Vaters begann Kafka ein Rechtsstudium, das er sehr erfolgreich abschließen konnte und sogar promovierte. Zu seiner Familie hatte Kafka kein besonders inniges Verhältnis. Er unterlag dem Druck und dem Zwang, den der Vater auf ihn ausübte, da dieser Kafka unbedingt zum erfolgreichen Geschäftsmann formen wollte. Die Mutter liebte zwar ihre Kinder, konnte sie aber nicht vor dem Vater bewahren. So kam es, dass Kafka nie seine Wirkliche Leidenschaft, das Schreiben, zum Beruf machen konnte. Zu seinen dennoch zahlreichen Werken zählt auch „Der Prozeß“. Daraus entnommen ist die parabelhafte Erzählung „Vor dem Gesetz“, die ich im Folgenden zu interpretieren versuchen werde.

Zuerst ist zu sagen, dass Kafkas Stil es nicht leicht macht, eindeutige Interpretationen zu erstellen. Die Parabel „Vor dem Gesetz handelt von einem „Mann vom Lande“, der den Türhüter um Eintritt in das Gesetz bittet. Der Türhüter verwehrt ihm diesen Wunsch. Es wäre zwar möglich, „aber jetzt nicht“. In der Hoffnung, letztendlich doch noch in das Gesetz zu gelangen, verweilt der Mann vom Lande sein gesamtes Leben vor dem Gesetzt.
In dieser Erzählung verwendet Kafka das Mittel der Zeitraffung, welches dem Werk sogleich verhilft, an Bedeutung zu gewinnen. Da der Zeitraum bis ans Lebensende des Mannes dargestellt wird, erfährt der Leser die Wichtigkeit dieses Zeitabschnittes. Der Verlauf der Handlung wird von einem neutralen Erzähler geschildert. Die konstruierte Bildebene, die ein wichtiger Bestandteil der Parabel ist, wirft gleich zu Beginn Fragen auf. Zunächst ist auffällig, dass nur sehr wenige Details den Handlungsraum beschreiben, sodass es nur schwer möglich ist, genaue Konturen der Umgebung zu erahnen. Das Gesetz, vor dem ein Türhüter steht, erscheint als eine Art Institution. Der Mann vom Lande, welcher orientierungslos dargestellt wird, bittet die Autorität um Einlass. Diese Anonymität sorgt dafür, dass sich der Leser schnell mit dieser Person identifizieren kann, wodurch die belehrende Wirkung einer Parabel gestärkt wird. Das Motiv der verwirten, ratlosen Protagonisten, der eine höhere Instanz um Rat befragt, tritt sehr häufig in Kafkas Werken auf. Es ist zu vermuten, dass diese Erscheinung eine Verarbeitung seiner persönlichen Erlebnisse mit dem Vater darstellt. Seine eigene Unterlegenheit, aber auch der Wille, den Kampf, gegen die diktatorischen Familienverhältnisse aufzunehmen, spiegeln sich an dieser Stelle der Parabel wider.

Der Mann vom Lande entscheidet sich also, vor dem Gesetz zu warten, bis ihm der Einlass gewährt wird. Daher stellt sich die Frage, wodurch die die Dringlichkeit entsteht, das Gesetz zu besuchen, sodass der Mann dafür nicht zu seinem alten Leben zurückkehrt und die Zeit lieber mit warten verbringt. Die hier dargestellt Passivität des Mannes im Gegensatz zu der Aktivität des Türhüters, welcher ihn oft über seine Heimat ausfragt, kann erneut als ein Bezug zu Kafkas persönlichen Werdegang gedeutet werden. Der Protagonist wird in der Parabel vor weitere Schwierigkeiten als nur den ersten Türhüter gestellt. Selbst wenn er den überlisten oder dessen Verbot trotzen würde, würden ihn weitere noch viel mächtigere Türhüter erwarten. Beim Leser entsteht der Eindruck einer ausweglosen Situation.

Ein Versuch des Mannes, schneller in das Gesetz zu gelangen, sind die verzweifelten Bestechungsversuche, welche zunächst paradox erscheinen. Der Mann, der nach dem Gesetz strebt, versucht dieses zu umgehen und sich unrechtmäßig Eintritt zu gewähren. Auch diese Widersprüche sind Merkmale Kafkas Schreibstils. Seine zum Teil „verschobenen“ Wirklichkeitsempfindungen, aus denen diese Paradoxe resultieren, fließen häufig in seine Werke ein. Doch dadurch, dass der Türhüter die Gaben des Mannes zwar annimmt- damit dieser nicht glaubt, er habe etwas versäumt, doch dafür keine Gegenleistung bringt, lassen die Bestechungsversuche scheitern. Auf ebenso wenig Resonanz stoßen die vielen Bitten des Mannes, die den Türhüter ermüden. Die erfolglose Situation scheint sehr an den Kräften des Mannes zu zähren. Er vergisst die weiteren Türhüter ganz und gar und sieht den vor sich Stehenden als Einigstes Hindernis an. Er befragt sogar die Flöhe im Pelzkragen des Hüters um Hilfe. Diese Hyperbel wirkt erneut sehr ausweglos, sodass auch beim Leser fast alle Hoffnung auf ein erfolgreiches Ende schwindet. Der Mann wird alt und seine Augen werden schwach. Er sammelt letzte Kräfte und stellt dem Türhüter die letzte Frage, warum er in all den Jahren der Einzige gewesen ist, der um Einlass gebeten hat, wo doch alle Menschen nach dem Gesetz streben. Die antwort könnte ernüchternder nicht sein, denn dieser Eingang wäre nur für den Mann bestimmt. Dies wirft die Frage auf, ob der Mann nicht hätte doch einfach durch die Tür gehen können, ohne dass daraus irgendwelche Konsequenzen entstanden wären. Doch auch diese Frage bleibt unbeantwortet, da die Parabel damit endet, dass der Türhüter die Tür jetzt schließen wird. Das Ende bleibt also offen.

Im letzten Abschnitt der Parabel sind erneut die Unterschiede zwischen dem einfachen Mann und der mächtigen Autorität verdeutlicht. Der Türhüter muss sich zum Mann hinunterneigen, denn „der Größenunterschied hat sich sehr zu ungunsten des Mannes verändert.“ Auch diese Aussage lässt sich auf Kafkas persönlichen Konflikt mit dem Vater beziehen. Wenn man sich jedoch von der Betrachtung löst, die Kafkas persönliche Erlebnisse als ausschlaggebend ansehen, so kommt man zu einer sozialen Betrachtung des Konfliktes. Ein verwirrter Bürger, der sich hilfesuchend an eine höhere Instanz wenden will, in diesem Falle das Gesetz, wird durch die scheinende Willkürlichkeit eines Beamten abgehalten. Der Staat kann somit nicht mehr die schützende väterliche Rolle für den Bürger übernehmen, welcher dadurch vor eine ausweglose Situation gestellt wird.

Doch die Parabel lässt sich auch religiös interpretieren. Die Bitte um Eintritt in das Reich des Gesetzes lässt sich leicht mit der Bitte um Erlösung vor dem Allmächtigen und um die Erlaubnis ins Paradies eintreten zu dürfen, assoziieren. Der Ausgang der Parabel scheint sehr aber sehr ernüchternd. Obwohl der Mann vom Lande, ein einfacher Mensch, keinerlei erkennbaren Sünden begangen hat, wird ihm der Eintritt nicht gestattet.
Abschließend ist zu sagen, dass auch diese Parabel eine Komplexheit besitzt, die eine Interpretation schwierig macht. Die unterschiedlichen Ansätze der Betrachtung tragen dazu bei, dass auch die Lehre, die der Leser aus der Parabel zieht, sehr unterschiedlich sein kann. Meiner Meinung nach ist die Hauptaussage der Rat, sich nicht zu lange vor einer Entscheidung zu scheuen, um nicht sein gesamtes Leben zu verschwenden und doch zu keinem Resultat gekommen zu sein. Auch wenn man mal eine Fehlentscheidung trifft, scheint diese weniger negative Auswirkungen als ständige Passivität zu haben.

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