Trakl, Georg - Ein Winterabend (Gedichtsinterpretation)

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Referat

Gedichtsinterpretation Ein Winterabend von Georg Trakl



„Ein Winterabend“ von Georg Trakl ist ein Gedicht über Identitätsfindung und den Glaube an Gott. In Wort und Sinn ist die zweite Fassung des Gedichts abgedruckt, es gibt allerdings auch noch eine erste Fassung.

„Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.
Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Seine Wunde voller Gnaden
Pflegt der Liebe sanfte Kraft.
O! des Menschen bloße Pein.
Der mit Engeln stumm gerungen,
Langt von heiligem Schmerz bezwungen
Still nach Gottes Brot und Wein.“

(Trakl, Georg 1887-1914 - Ein Winterabend)

Georg Trakl (geboren am 3. Februar 1887 in Salzburg, gestorben am 3. November 1914 in Krakau) war ein österreichischer Lyriker des Expressionismus mit starken Einflüssen des Symbolismus. Georg Trakl verbrachte seine Kindheit und Jugendzeit in Salzburg, wo er zusammen mit seinen Geschwistern von einer französischen Gouvernante aufgezogen wurde. Trakl veröffentlichte schon 1908 und 1909 erste Gedichte, aber in seiner Bedeutung erkannt wurde er erst von Ludwig von Ficker, in dessen Zeitschrift "Der Brenner" er von 1912 bis 1915 regelmäßig veröffentlichen konnte. Das Gedicht besteht aus drei Strophen mit jeweils vier Zeilen und einschließenden Reimen (abba). Die zweite Fassung unterscheidet sich in keinem dieser Aspekte von der 1 Fassung, denn auch sie ist fest durchkomponiert.

Die erste Strophe ist in beiden Gedichten gleich und vermittelt eine wohnliche, gemütliche und sichere Atmosphäre. Es fällt Schnee, eine Glocke läutet, der Tisch ist gedeckt. Beim ersten Lesen der ersten Strophe dachte ich, es ginge in diesem Gedicht um Weihnachten. In der zweiten Strophe wurde ich jedoch eines besseren gelehrt. Die ersten zwei Zeilen der zweiten Strophen sind ebenfalls die gleichen. Es geht um einige Wanderer die auf Pfaden unterwegs sind und an ein Tor kommen. Dann unterscheiden sich die Gedichte und in der 1. Fassung folgt, dass die Wunden der Wanderer mit Gnade gefüllt sind und um Liebe. In der zweiten Fassung geht es in diesen 2 Zeilen darum, dass ein Baum der Gnaden wächst.

Die dritte Strophe unterscheidet sich in beiden Fassungen komplett. So geht es in der ersten Fassung um die Pein der Menschen, Menschen haben mit Engeln gerungen und als sie verloren hatten, griffen sie nach Brot und Wein. Und in der zweiten Fassung geht es um die Wanderer, die nun herein treten, allerdings nicht ohne Schmerzen und dann Brot und Wein sehen. In der ersten Strophe wird Wärme vermittelt, dadurch dass der Schnee, den man mit Kälte verbindet, von draußen ans Fenster fällt, man selbst also im Warmen sitzt. „Vielen ist der Tisch bereitet“ erweckt eine gewisse Vorfreude, es könnte sein, dass Besuch erwartet wird. Jedoch ist auch nicht allen der Tisch gedeckt, was an auch als Hinweis auf Armut ansehen kann. So hatten die ärmeren Menschen vielleicht nicht die Möglichkeit an einem reich gedeckten Tisch zu speisen.

In der zweiten Strophe der ersten Fassung wechselt plötzlich die Stimmung, es wird düster. Die Idylle zerfällt. Es wird von Wanderern gesprochen, die sich auf dunklen Pfaden befinden und an ein Tor kommen. Damit könnte die Selbstfindung gemeint sein, die im Expressionismus oft eine Rolle spielt. Die Wanderer suchen nach etwas, vielleicht nach sich selbst und blicken zurück auf ihre Vergangenheit. Diese Gedanken sind jedoch sehr dunkel. Dann wird dem Leser vermittelt, dass die Wanderer Wunden haben, die jedoch mit Gnaden erfüllt sind „seine Wunde voller Gnaden“. Von Schmerzen ist nichts zu lesen und das Gedicht vermittelt auch den Eindruck, als gäbe es keine Schmerzen, nur eine Wunde. Vielleicht gibt es keine Schmerzen, weil die Kraft der Liebe diese Schmerzen heilt „pflegt der Liebe sanfte Kraft“.

In der 2. Fassung sind die ersten beiden Zeilen, wie bereits eben erwähnt, gleich der ersten beiden Zeilen der 1 Fassung. Dann jedoch werden keine Wunden erwähnt, sondern ein Baum, der Baum der Gnade, der golden blüht. Auch in dieser Fassung taucht die Gnade auf, allerdings wird vorher nicht erwähnt, dass die Wanderer Wunden haben, sondern nur dass der Baum der Gnaden blüht.
Die drittem Strophen unterscheiden sich nun vollkommen bis auf ihre Motive. So beginnt die Strophe der 1. Fassung mit einem Ausruf „O! Des Menschen bloße Pein“ Mit Pein ist, denke ich, der Schmerz gemeint, den die Menschen ertragen müssen. Es taucht also doch noch Schmerz auf, wobei in der zweiten Strophe davon nichts zu erkennen ist und es wirkt, als ob die Liebe die Wunden erfolgreich heilt. Dann werden Engel erwähnt und jemand, der mit ihnen gerungen hat und verloren hat. Ich denke, dass die Wanderer gemeint sind. Nun haben die Wanderer also gegen die Engel verloren und greifen still nach Brot und Wein. Vielleicht sind die Wanderer so still, weil sie tot sind und es wird von der Ewigkeit gesprochen. Die Ewigkeit mit Brot und Wein steht nun im Gegensatz zu den dunklen Pfaden, auf denen die Wanderer einst wanderten. Man könnte die erste Fassung also folgendermaßen deuten: Jemand ist auf der Suche nach sich selbst und seine Gedanken kreisen um dunkle Dinge. Dieser jemand hat in seiner Vergangenheit viel Leid ertragen müssen, was Wunden zur Folge hat. Die Liebe ist nicht stark genug, um diese Wunden zu heilen, also muss derjenige sterben. Doch obwohl er so dunkle Gedanken hat, strebt er sich dagegen und ringt mit den Engeln, womit der Todesengel gemeint sein könnte. Er verliert jedoch und stirbt. Nun ist er in der Ewigkeit, die auch in Strophe eins beschrieben sein könnte. Er ist jetzt in der Wärme, sitzt an einem reich gedeckten Tisch, an dem immer mehr hoffnungslose Wanderer erwartet werden.

In der 2. Fassung tritt der Wanderer still herein. Auch hier taucht das Wort still auf, was auch hier auf den Tod schließen lassen kann. So tritt der Wanderer also herein, verspürt dabei jedoch Schmerz. Es wäre möglich, dass diese Schmerzen seinen Todeskampf, sein ringen mit den Engeln, verdeutlichen sollen. Als er schließlich eingetreten ist, sieht auch er Brot und Wein. Die 2. Fassung kann man also ähnlich deuten, wie die erste Fassung. Auch hier ist jemand auf der Suche nach sich selbst und irrt auf dunklen Pfaden umher. Zwar wird in der 1. Fassung durch den Kampf mit den Engeln deutlicher, dass es sich um den Tod handelt, als in der 2. Fassung, der Schmerz auf der Schwelle zur Ewigkeit auf den Tod hinweisen soll.

Beide Gedichte wirken zunächst wie Naturgedichte, Es ist Winter, es fällt Schnee und in der 2. Fassung wird von einem Baum geredet. Bei genauerem Hinsehen ist es jedoch auf keinen Fall ein Naturgedicht. Vielmehr wimmelt es von christlichen Motiven. Dies beginnt bereits bei der Form des Gedichtes, so schreibt Trakl meist vierstrophige Gedichte, „Ein Winterabend“ hat jedoch nur 3 Strophen. Hier lässt sich ein Hinweis auf die Dreifaltigkeit ziehen. Auch ist es im Expressionismus unüblich ein so festes Reimschema in den Gedichten zu verwenden. Dieses feste Reimschema zeugt von Sicherheit und Vertrauen, ebenfalls ein Hinweis auf die Existenz Gottes. In der ersten Strophe beider Gedichte läutet eine Glocke, die Vermutung liegt nahe, dass es eine Kirchenglocke ist, also auch hier der Hinweis auf Gott. Brot und Wein sind wohl die deutlichsten Anzeichen auf eine Verbindung zum christlichen Glauben, so ist damit das Abendmahl gemeint, welches in der ersten Strophe wohl ebenfalls gemeint ist, als Trakl schrieb: “Vielen ist der Tisch bereitet“. Durch das „Vielen“ kann man deuten, dass nicht jedem ein Platz beim Abendmahl zusteht, sondern nur den gläubigen Menschen dieser Platz vorbehalten ist. In Fassung 1 taucht nun noch der Baum der Gnaden auf, damit könnte auch der Lebensbaum gemeint sein, wobei in Fassung 2 Engel auftauchen, die wohl ebenfalls wie Brot und Wein ein sehr deutliches Anzeichen für Trakls Suche nach Gott sein könnten. Des Weiteren unterstreichen Adjektive und Verben das Elend des Lebens und die Schönheit der Ewigkeit. So ist zum Beispiel in Strophe 2 der 2. Fassung der Wanderer auf dunklen Pfaden unterwegs, dann blüht der Baum der Gnaden und dann der kühle Saft der Erde.

Georg Trakl verbindet in diesem Gedicht die Suche nach Gott und nach sich selbst. Er schreibt der Ewigkeit mehr Freude zu als dem Leben, welches er mit Schmerzen und Leid verbindet.

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