Mittelalter - Leben und Sterben (in Göttingen)

Schlagwörter:
Hans von Oldendorp, Referat, Hausaufgabe, Mittelalter - Leben und Sterben (in Göttingen)
Themengleiche Dokumente anzeigen

Referat

Leben und Sterben im mittelalterlichen Göttingen

Göttingen ist eine Großstadt und traditionsreiche Universitätsstadt im Südosten des Landes Niedersachsen. Die Stadt ist stark durch ihre Bildungs- und Forschungseinrichtungen geprägt. Nach Hannover, Braunschweig, Osnabrück und Oldenburg ist Göttingen die fünftgrößte Stadt Niedersachsens. Sie ist Kreisstadt und größte Stadt des Landkreises Göttingen. Im folgenden soll das Leben und Sterben im mittelalterlichen Göttingen beschrieben werden.

Wer sich mit dem Thema Leben und Sterben im Mittelalter befasst, der wird und muss unweigerlich mit der Identität des Ortes vertraut gemacht werden. In diesem Text befassen wir uns nun mit dem Testament des Ratsherrn Hans von Oldendorp aus dem Jahre 1491. Zur Erläuterung des Testaments müssen wir uns sozusagen in mittelalterlichen Zeiten bewegen. Die Jakobikirche wird hierzu öfters genannt werden müssen. Zwar ist die Jakobikirche noch die gleiche wie vor einigen hundert Jahren und steht auch noch in der gleichen Straße, so hat sich doch die Atmosphäre stark verändert, denn man betritt die Kirche heute über eine Fußgängerzone und nicht mehr über einen Friedhof.

Das Testament des Ratsherrn kann man seit 1867 im Göttinger Urkundenbuch lesen, doch ist es damit nicht getan, dieses Testament und alle historischen Dokumente, müssen in einen größeren Zusammenhang gestellt und erläutert werden, wollen sie uns Aufschluss über die Vergangenheit geben. Am Anfang eines Testament spricht der Testator zunächst davon, dass er einen Teil seines Vermögens zur Ehre Gottes verwenden will, d.h., in Form von Geldspenden an Kirchen und Pfarrer, und den anderen Teil seinen Verwandten zukommen lassen will. Für die Verwandten hätte er kein Testament benötigt, da es auch schon im Mittelalter selbstverständlich war, dass die Verwandten das Vermögen des Verstorbenen bekommen. Als nicht selbstverständlich galt aber ursprünglich die Zuwendung an Kirchen und Geistliche, und so war es ihretwegen zur Ausstellung von Testamenten im Mittelalter erst gekommen. Erst am Ende des Mittelalters wurde es dann aber zur Gewohnheit von Vermögenden, ein Testament aufzusetzen und an dessen Anfang Kirche und Geistliche zu bedenken.

Auch unser Testator spricht am Anfang seines Letzten Willens nicht von persönlichen Neigungen. Bei seiner in seinem Hause aufgestellten Leiche, möchte der Ratsherr, dass ein Psalter gelesen wird. Auch die weiteren Begräbnisfeierlichkeiten werden von dem Testator angeordnet. So wünscht er sich, z.B., dass er auf dem Friedhof der Jakobikirche begraben werde, und zwar "mit aller Herrlichkeit", d.h., mit allen Zeremonien, wie es sich gebührt. Was heute selbstverständlich ist, war im späten Mittelalter nicht so, nämlich, dass nicht jedem ein solches Begräbnis gebührt. Solche Begräbnisse waren nur für sehr vermögende Leute gedacht. Dies zeigen auch schon die Kosten für die bereits erwähnten Todeszeremonien. Solche Zeremonien sollten den Verstorbenen damals 10 Mark kosten, was schon die Summe sein konnte, die ein etwas ärmerer Bürger an Vermögen überhaupt besaß.

Mit den an die Jakobikirche zu zahlenden 10 Mark beginnt der Testator sein Testament. Sie leiten auch gleich in den ersten größeren, an der Spitze stehenden Teil des Testaments ein, die Zuwendung an geistliche Institutionen und Personen, sie stehen wie üblich vor den Bestimmungen zugunsten der Verwandten. Dort, wo es nun um Geldsummen geht, gibt der Testator den Betrag nun immer in Gulden an. Nur um einen Vergleich zu haben: Eine kleine Familie konnte im Jahr von 15 Gulden knapp leben. Der Ratsherr beginnt mit seiner Stiftung an die Kirche in seinem Bezirk, also die Jakobikirche, sie soll neben geistlichem Ornat und Altargeräten noch 10 Gulden erhalten. Für besagte Stiftung verlangte der Ratsherr allerdings eine Gegenleistung, und zwar das Totengedenken. I n der Jakobikirche sollte zugunsten des Testators und seiner beiden Frauen Gedächtnismessen gelesen werden. Die Geistlichen des Mittelalters waren nichts weiter als professionelle Beter, die für das Seelenheil der Menschen arbeiteten und dafür von körperlicher Arbeit freigestellt werden mussten. Unterhalten wurden solche Geistliche durch steuerähnliche Abgaben, durch Geschenke, durch Stiftungen und Opfergaben. Durch die Verfügung seines Testaments tut der Ratsherr nichts anderes als durch die Gebete der Geistlichen sich der Hölle zu entziehen und den Gang durch das Fegefeuer zu verkürzen. Für den Testator stellt sich nun aber die Frage, welche Geistlichen und Heiligen er bedenken soll. Unser Testator wendete als nächstes die halbe Korallenkette seiner verstorbenen ersten Frau einer Marienstatue in der Jakobikirche zu, die andere Hälfte dieser Kette ging an ein Bild der Mutter Gottes in der Kapelle des Bartholomäusspitals. Eine Korallenkette war ein sehr teures Schmuckstück, das gesetzlich nur Göttinger Bürgern erlaubt war zu tragen, die 200 und mehr Mark versteuerten. So symbolisierte sie auch einen gewissen gesellschaftlichen Rang, denn nur knapp 10 % der Göttinger war es erlaubt, eine solche Kette ihr eigen zu nennen. Dadurch, dass der Testator die Kette der Marienstatue vermachte, hatte sie sozusagen die Aufgabe bekommen, den sozialen Rang des Ratsherrn dokumentarisch festzuhalten.

Nach noch einigen weiteren Geschenken an Kirchen kommt der Testator nun zum Summarischen. Er bedenkt alle Kirchen seines Wohnortes mit einer Geldsumme. Er unterteilt die Kirchen hierbei in zwei Gruppen. 10 Gulden gehen an die wichtigeren, 5 an die kleineren Kirchen. Dieser Abschnitt im Testament zeigt uns nochmals, dass wir es mit einem sehr vermögenden Testator zu tun haben, denn insgesamt gehen 115 Gulden an die Göttinger Kirchen. Zum anderen sehen wir aber auch, dass sich 13 Gotteshäuser in einer Stadt mit 1110 Haushaltungen, also mit ca. 5000 Bewohnern befinden, was auch für mittelalterliche Verhältnisse viel war. 115 Gulden war ein hoher Preis, auch für Hans von Oldendorp, aber dafür wurde nun in 13 Kirchen für ihn und seine beiden Frauen gebetet und Gedächtnismessen gehalten, um die Zeit im Fegefeuer zu verkürzen. Wie testamentarisch von Hans von Oldendorp bestimmt, sollten die Gebete bis zum Jüngsten Tag gehalten werden. Tatsächlich wurde aber nur knapp ein halbes Jahrhundert für ihn gebetet, da Martin Luther und die Reformation eintraten. In keinem Dokument des 15. Jahrhunderts wird auch nur angedeutet, dass Luther und die Reformation so nahe waren. Die deutschen waren 1500 so fromm und kirchentreu wie niemals zuvor.

Hans von Oldendorp fährt mit seinen Stiftungen noch weiter fort. Wiederum die Mutter Gottes, diesmal jedoch die Patronin der Marienkirche in der Neustadt, erhält ein Altartuch und zwei weitere Korallenpaternoster, und ein Ring, den Hans von Oldendorp am Finger trug. Der Ring war mit einem Mann und einem Fräulein geschmückt. Auch der Ring zeigte wieder an, dass sein Träger ein gemachter Mann war. Hans von Oldendorp vermachte Maria den Ring, um sich mit ihr zu verloben, und um ihr zu danken, dass sie auf ewig bei ihrem lieben Sohn bleibt.

Es folgen weitere Spenden von sakralen Gegenständen. Die Pauliner- und die Barfußkirche erhalten ein Altartuch und ein Messgewand aus grüner Seide, die St.-Jürgen-Kapelle nur ein buntes. Wo die Messen billiger waren, brauchten auch die Messgewänder nicht so kostbar zu sein. In mittelalterlichen Vorstellungen war Gott auf Quantität bedacht. Hans von Oldendorp wechselt nun zur kostbaren und originellen Großplastik über. Vor 3 oder 4 Göttinger Toren sollen auf seine Kosten Reliefs aufgestellt werden. Eines soll die Krönung Christi (Dornenkrone) zeigen, das zweite die Geißelung Christi und das Dritte soll die heilige Dreifaltigkeit zwischen Maria und Maria Magdalena zeigen. Die Reliefs würden zusammen etwa 80 Mark kosten. Gott, Maria und die Heiligen, die auf den Reliefs zu sehen waren, sollten Göttingen, dessen Einwohner und die Seele des Testators schützen. Das, was von den 80 Mark nicht aufgebraucht wird, soll dem Rat für öffentliche Bauten zur Verfügung stehen und für Verbesserung der Wege und Brücken verwendet werde.

In seinem Testament bestimmt Hans von Oldendorp auch, dass Geld für Wallfahrten zur Verfügung stehen soll. Vielleicht hatte er selbst einmal vor, auf eine Wallfahrt zu gehen und hatte nur nicht die Zeit dazu, deshalb schickte er Pilger, mit Brot und Bier versorgt, zu den von ihm bestimmten Orten. Dort sollen sie ein Pfund Wachs und ein Opfertier hinbringen. Zwei Pilger sollten Wachs zu einem Bild des heiligen Bernhardin von Sienna bei den Franziskanern bringen und vier andere ein lebendes Opfertier nach Nikolausberg. Wo Hans von Oldendorp schon einmal dabei ist, die Nikolausberger Kirche zu bedenken, fährt er mit einer Geldspende von 4 Gulden an diese fort. An die Klosterkirche in Weende soll ein Fass Bier und Brot in gewöhnlicher Menge gehen. Als Gegenleistung wünscht sich der Ratsherr wieder, dass die Nonnen ihn in ihren Gebeten bedenken.

Nun gelangen wir zum zweiten Teil des Testaments, das Vermächtnis an Freunde und Verwandte. In seinem Testament bedenkt er seinen Oheim, dessen Sohn, zwei Schwäger und deren Frauen sowie eine Nichte. An Freunden werden verschiedene Ratsherren, Ratsschreiber und mehr oder weniger prominente Bürger bedacht, die ihm nahe standen. Kinder wurden in seinem Testament nicht beschenkt. Dies kann bedeuten, dass er kinderlos war oder dass er seine Kinder überlebte. Das kann daher kommen, dass viele Menschen schon in jungen Jahren starben. Unser Ratsherr wird wohl so an die 60 Jahre alt gewesen sein, als er sein Testament schrieb, und es kann gut sein, dass er seine Kinder so überlebt hat.

In dem Teil des Testaments, das für seine Blutsverwandten und Freunde vorgesehen war, verfügt Hans von Oldendorp zuerst über kleine Bargeldbeträge, dann über Hausrat und anderen mobilen Besitz und drittens über Immobilien. Sein Haus, in dem er lebte, vermachte er seiner Frau, und zwei andere Häuser mit Ackerland standen seiner Frau zu Lebzeiten zur Verfügung, nach ihrem Tode sollten sie an die Blutsverwandten des Erblassers gehen. Ein paar Bettbezüge vermachte er seinen Hausangestellten. Für uns heute mag das so aussehen, als ob er seine Mägde mit billigen Kleinoden zufrieden zu stellen suchte. Dem ist aber nicht so. Aus anderen Testamenten geht hervor, dass Bettzeug eines der häufigsten Hinterlassenschaften war. Es wurde oft über mehrere Generationen hinweg benutzt. Auch einige Bücher hinterließ er. Man könnte nun denken, dass hier von einer kleinen Bibliothek die Rede ist, tatsächlich ist hier aber wohl von kaum mehr als zehn Büchern die Rede. Für die damalige Zeit war es recht ungewöhnlich, mehrere Bücher in seinem Besitz zu haben. Unser Testator war hier wohl seiner Zeit ein wenig voraus.

Solche Testamente wie das von dem Ratsherrn Hans von Oldendorp gibt es zur Genüge. Unter ihnen befindet sich auch das weitaus kürzere Testament seiner Frau, also der Margarethe von Oldendorp. Ihr Testament wurde allerdings nicht veröffentlicht. Im Hauptteil ihres Testaments ist von Kleidungsstücken die Rede, und so ist ihr Testament ein kostümgeschichtliches Dokument, das zu einem großen Teil zeigt, wie sich die Frauen von Ratsherren im 15. Jahrhundert gekleidet haben.

Zurück