Jakob van Hoddis:
Weltende
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen
Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn
entzwei
und an den Küsten - liest man - steigt die Flut
Der
Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu
zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die
Eisenbahnen fallen von den Brücken.
Der Inhalt des Gedichtes
„Weltende“ von Jakob van Hoddis ist in Wirklichkeit komplett
symbolisch zu sehen. Während der „dem Bürger vom Kopf fliegende
Hut, die abstürzenden Dachdecker, die Unruhen in Form von Geschrei und der
Schnupfen“ ein eindeutiges Bild von der Krise der „kranken“
Gesellschaft hervorbringen, zeigen die „steigende Flut, der Sturm und die
hupfenden Meere, die zu zerbersten drohenden Dämme und
Eisenbahnunglücke“ , wie der Titel schon erwähnt, das
bevorstehende Weltende.
Die Untergangsstimmung und die Katastrophe sind
wahrscheinlich mit dem Auftauchen des Halleyschen Kometen in Verbindung zu
setzen, wo hingegen die Unfälle auf die expressionistische Revolution gegen
das wilhelminische Bürgertum hindeuten.
Das Gedicht setzt sich aus zwei
Strophen mit jeweils vier Zeilen zusammen, von denen die erste das Reimschema
abba, die zweite abab hat. Naturkatastrophen und menschliche Unfälle in
einem Durcheinander ohne jeden Bezug, teils katastrophal, teils banal
aneinandergereiht. Dieses hebt sich von traditionellen Techniken hervor und wird
als Verfremdungseffekt bezeichnet. Während der Satzbau recht normal
erscheint taucht in jeder Strophe eine ungewöhnliche Wortkombination auf:
vom spitzen Kopf, Meere hupfen. Dies ist ein Spiel mit der Sprache.
Außerdem wird durch die kurze und präzise Formulierung eine
ungewöhnliche Intensität erreicht.